Donnerstag, 8. Dezember 2022
Peter F. Hamilton.
https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_F._Hamilton

*Void-Trilogie

The Dreaming Void - 2007 - Die träumende Leere

Ein erzählerisch meditativ dahinfließendes Abenteuer in einem prall gefüllten, eklektischen Universum, gelegen an der Schnittstelle zwischen physischer Realität und virtueller, postphysischer Existenz.
Nicht jeder mag die durch Hamiltons Fantasiefilter gelaufenen Universen. Den SF-Puristen, und unter ihnen besonders: den Hard-SF-Puristen, wird das zu chaotisch, zu frei sein, obwohl es an Hard-SF, zumindest in Ansätzen, alles andere als mangelt.
Und ja, vielleicht sollte man ihn tatsächlich eher in den Bereich der Phantastik allgemein einordnen, was aber auch wieder schwerfällt, denn immerhin gilt er als ReAnimator des klassischen SF-Bereichs der SPACE OPERA - 1996 bis 1999 mit dem Armageddon-Zyklus (Night’s Dawn) - und ALLE seine Universen sind, vom Grundgerüst her, reine, pure SF-Universen der Zukunft, denen es absolut an nichts fehlt.
Hamiltons Universen sind Universen, die den Leser überfordern, erschlagen können, prinzipiell unendliche Universen, in denen nichts unmöglich erscheint, es ist vor allem die außerordentliche, extreme Fülle, und die durch sie erzeugte, permanente Intensität, die dem einen oder anderen Probleme bereitet.
Es gibt übrigens Hard-SF/ler, die kriegen einen mentalen Blutsturz, wenn plötzlich Untote ihren Schirm queren. Siehe Armageddon-Zyklus.
Ich hab‘ da kein Problem damit, wenn sie, die Untoten, gut gestaltet und passend eingebaut sind. Warum nicht?!
Aber ich bin ja auch kein Hard-SF/ler.
Zu langweilig.
Und vor allem - zu limitiert.

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Samstag, 30. April 2022
Simulacron 3 - A Dream Within A Dream.
Galouyes legendärer Roman aus dem Bereich des Metakomplexen.

Hier aber, und das ist natürlich schon eine Besonderheit, eher nach innen gerichtet, und nicht nach oben gestapelt.

Erschienen 1962/64.



Im Zusammenspiel mit der Werbebranche wird die Simulation einer Großstadt entwickelt, angefüllt mit Millionen von Einzelindividuen, allesamt mit differierenden Eigenschaften und daraus resultierendem, eigenständigem Meinungsverhalten. Doug Hall arbeitet als Assistent am Institut jenes Mannes, der die Möglichkeit zu dieser Art von komplexer elektronischer Simulation entwickelt hat, als dieser im Zuge eines bizarren Unfalls ums Leben kommt.
Bald, er ist zwischenzeitlich zum Leiter des Instituts berufen worden, kommt Hall der Gedanke, dass die Funktionseinheiten innerhalb der Simulation natürlich ebenfalls auf die Idee gekommen sein könnten, eine solche Simulation zu entwickeln.
Der Gedanke wird zur Obsession, und die Anzeichen - mehren sich.

***

Ist natürlich ein prima Sache. Der Gedanke der Simulation aus der Simulation heraus zerfetzt die eine, einfache Realitätsebene augenblicklich und abrupt, sofort und in alle Richtungen, und: er ist unwiderlegbar.
Es kann keinen Gegenbeweis geben.
Denn der könnte ja auch programmiert sein.
Das ist natürlich ein explizites Dick-Thema, wobei es sich hier aber nicht um das Produkt einer epigonenhaften Verehrung des großen Phil handelt, sondern um eine in etwa zeitgenössische, eigenständige Aufnahme der Idee.
Im Grunde haben wir es mit dem altbekannten Gedanken des Traums in einem Traum, also mit Poe zu tun.

***

A Dream Within A Dream

Take this kiss upon the brow!
And, in parting from you now,
Thus much let me avow -
You are not wrong, who deem
That my days have been a dream;
Yet if hope has flown away
In a night, or in a day,
In a vision, or in none,
Is it therefore the less gone?
All that we see or seem
Is but a dream within a dream.

I stand amid the roar
Of a surf-tormented shore,
And I hold within my hand
Grains of the golden sand -
How few! yet how they creep
Through my fingers to the deep,
While I weep - while I weep!
O God! Can I not grasp
Them with a tighter clasp?
O God! can I not save
One from the pitiless wave?
Is all that we see or seem
But a dream within a dream?

EDGAR ALLAN POE/1849

***

Das tiefste Thema dürfte also, noch hinter VERGÄNGLICHKEIT und EWIGKEIT, die WERTLOSIGKEIT sein. Die WERTLOSIGKEIT und die HALTLOSIGKEIT.

Zum vermeintlichen Gegensatz von Ewigkeit und Vergänglichkeit: manchmal reicht es schon, die Zusammenhänge umgekehrt zu denken, um Gegensätze aufzulösen, Ewigkeit kann tatsächlich nicht vergänglich sein, das wäre ein klarer Widerspruch, ein Paradoxon, geht man aber von der Vergänglichkeit aus, so stößt man auf die Tatsache, dass diese durchaus ewig sein kann.

***

Galouye geht die Sache sehr zügig und ohne Umschweife an, was dem Aufbau manchmal etwas leicht Episodenhaftes verleiht. Generell ist der Roman, mit seinen gerade mal 220 Seiten eher kurz gehalten, liegt beinahe schon an der Grenze zum Kurzroman.
Was aber in diesem Fall nichts Negatives besagen soll, eher im Gegenteil. Nur vermittels dieser geradlinigen, auf das Wesentliche konzentrierten, Form gelingt es Galouye, diese ideale Ausgewogenheit zwischen Erzählung und metaphysisch-philosophischer Spekulation herzustellen, die den Roman auf so glänzende Art und Weise auszeichnet.
Wir erleben die Sache übrigens strikt aus der IchPerspektive, also komplett aus der Sicht- und Gedankenwelt des Hauptprotagonisten heraus. Die Perspektive ist tadellos ausgeführt und zwingt den Leser mitten hinein in die verwirrenden Fragen und Rationalisierungsversuche, die Doug Hall zu bewältigen hat.
Und auch hier zeichnet sich Galouye aus. Die Vielfalt der Abhandlungsansätzen ist enorm, erscheint mir sogar umfassend erschöpfend.
Wenn nämlich alles elektronisch programmierte Simulation in elektronisch programmierter Simulation in elektronisch programmierter ... ist, dann haben wir es zunächst einmal mit der Unendlichkeit zu tun, dem Periodenstrich nach dem Komma, worauf dann die Frage nach der Welt des höchsten, ersten Programmierers folgt, und damit die transzendente Hoffnung auf die EINE WIRKLICHE Realität. Hinzu tritt dann selbstverständlich noch die tiefenpsychologische Frage. Paranoia? Wahnsinn? Nur die psychische Überkompensation des verantwortlichen Programmierers, der elektronische Wesen in einer unechten, illusionären Welt leben lässt?
Galouye braucht acht relativ knappe Kapitel, um Welt, Situation, Ausgangslage und Problemstellung zu etablieren, mit Kapitel Neun schließlich beginnt die Fulminanz.

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Samstag, 31. Juli 2021
David...
... Wellington.



Die letzte Astronautin, The Last Astronaut, 2019.

SF-THRILLER mit hohem Dark-Fantasy und Horror-Anteil.

David Wellington, ?Die letzte Astronautin?, (?The Last Astronaut?, 2019).

Als nahe der Erde ein riesiges interstellares Objekt auftaucht, das sich bald als eine Art Raumschiff herausstellt, macht sich eine Mission auf den Weg, um das Phänomen zu erforschen.

Ein recht unterhaltsamer, jedoch auch zwiespältiger Genuss.

Stilistisch annehmbar, mit nett zusammengefügten Ideen, wenn auch hin und wieder sehr, sehr dicht an der Grenze zum Groschen- bzw. Rollenspielroman. Heißt: schnell zu lesen, zügig, simpel im Satzbau und dabei extrem sparsam im Gebrauch von Adjektiven und damit der ausführlicheren Anleitung der Leserfantasie. Was natürlich kein Manko sein muss, eher im Gegenteil, was aber auch bedeutet, dass der dann zwangsläufig schnell und hart wirkende Stil, wenn - wie in diesem Fall - übertrieben angewandt, deutlich zu Lasten der psychologischen Tiefe geht und einen sehr oberflächlichen Eindruck hinterlässt. Und wenn dann, von den dargebotenen Bildern und Inhalten her, zusätzlich noch todbringende Ranken (eine Variation der klassischen, in der Science-Fiction unsterblichen Tentakel) sowie Riesenwürmer mit rund kreisenden Zahnfräsen auf der Projektionsfläche erscheinen, dann fragt sich der anspruchsvolle Leser eben doch irgendwann, wohin er denn eigentlich seine alten Romanhefte verkramt hat.
Ganz unten ins Regal mit den Verpackungen und, teilweise, Büromaterialien, in meinem Fall.
Alles nicht wirklich neu, manche Ideen ohne Zweifel überzeugend, wirklich phantastisch und bleibenden Eindruck hinterlassend (der ?Wald der Handbäume? beispielsweise), manche aber auch, ob bewusst oder unbewusst reproduziert bleibt offen, bloße, in den Plot reinverwurstete Versatzstücke der klassischen, literarischen und vor allem filmischen Phantastik.
So findet sich beispielsweise eine der Grundideen bereits in "Die phantastische Reise" (Richard Fleischer, USA 1966), hier aufgemöbelt durch eine kräftige Portion ?Alien? (Ridley Scott, USA 1979) sowie, was Ground Control, den Missionsleiter auf der Erde und die Darstellung der NASA angeht, einen Schuss ?Unternehmen Capricorn? (Peter Hyams, USA 1977). Und auch im Einzelnen erleben wir immer wieder bereits altbekannte Motive. Von den bereits erwähnten Riesenwürmer, die - zumindest in der Szene, in der sie eingeführt werden - stark an Frank Herbert?s Sandwürmer auf Arrakis erinnern (wie auch immer sie den Sprung von einem Universum in das andere auch geschafft haben mögen), bis hin zu einer kosmologischen Auflösung des menschlichen Einzelbewusstseins in bester Robert-Silverberg-Manier.
Nun ist eine Anlehnung an bereits ausgearbeitete Ideen der Phantastik, und hier im Besonderen der Science-Fiction, zwar nicht grundsätzlich zu verurteilen (schließlich stehen wir alle auf den Schultern von Riesen), eine zu unreflektierte Übernahme bereits bekannter Inhalte jedoch sollte, alleine um der Seriosität willen und um Irritationen zu vermeiden, immer zwingend von einer in den Text eingebauten Referenz begleitet werden.
Falls Sie die Vorbilder nicht kennen, Herr Wellington: eignen Sie sich mehr Grundlagen an, oder, falls Sie sich bewusst zu nahe an klassischen Werken der Phantastik bewegen, geben Sie Referenz!
Bevor wir nun tatsächlich zum Fazit kommen, sollte ich vielleicht - der Vollständigkeit halber - noch die leichten Logikschwächen, vor allem die in meinen Augen unzureichende psychologische Grundmotivation der Hauptprotagonistin, und den allgemein ziemlich oberflächlichen, nahezu klischeehaften Schnitt der Charaktere erwähnen.
Hiermit getan.

Trotz der erwähnten Schwächen ein durchaus lesbarer Roman mit einer zweifellos dramatisch gelungenen Story, die funktioniert und die Hand und Fuß hat. Kein großes, für das Genre wirklich bedeutsames Werk, aber doch eine leichte, schnelle Lektüre mit immer mal wieder spannenden und überzeugenden Momenten, geeignet für jeden Leser, der nicht unbedingt einen weitergehenden Anspruch auf psychologische und inhaltliche Tiefe oder gar genrerelevante Innovation erhebt.
Ein unterhaltsamer und zügiger SF-Thriller mit Dark Fantasy und Horrorelementen - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

69 %

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Sonntag, 2. August 2020
"Hard-SF"
Lesetipp für alle Freunde der gepflegten Hard-SF.



POUL ANDERSON - "TAU ZERO", 1970 "Universum ohne Ende", 1972, Heyne

Klassisches Was-Wäre-Wenn, wissenschaftlich durchgespielt anhand der Relativitätstheorie.

Was wäre, wenn ein Raumschiff, das aufgrund der Art seines Antriebs permanent geradlinig beschleunigen muss, durch einen Unfall sein Bremssystem verlieren würde und keine andere Möglichkeit mehr hätte, als bei immer weiter zunehmender Geschwindigkeit weiterzurasen? Während in seinem Inneren die Zeit normal verliefe, spielten sich um das Raumschiff herum bald Jahrmillionen, Jahrmilliarden in Tagen, Wochen und Monaten ab. Würde man irgendwann an die Grenze des Universums gelangen? Und wenn es keine Grenze gibt, würde man das Universum sterben, degenerieren, zusammenfallen und - womöglich - neu entstehen sehen? Was würde die totale, räumliche und zeitliche Isolation mit den Menschen innerhalb des Raumschiffs machen? Wie würde dieses Erleben sich auf ihre Psyche auswirken?

Tolle, phantastische Vorstellung, von Anderson in jeder Beziehung großartig umgesetzt.

Sehr zu empfehlen.

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