Sonntag, 28. April 2024
Incarnation 3000 - A Weird Tale - (Erzählung/Weird) - VI/Wandler!
(...)

Josh folgte Misfits durch das Gedränge der öffentlich zugänglichen Räume des Casinos, die sie alsbald jedoch durch eine gesicherte Tür im hinteren Bereich wieder verließen, um durch leicht abfallende, in den Fels geschlagene Tunnel zuletzt in eine weite, hohe Felsenhöhle zu gelangen. Bis auf einen mächtigen, ovalen Holz-Metall-Tisch, dessen Oberfläche in spätmodernistisch-spiegelndem Glanz erstrahlte, war die Höhle leer und kalt.
Misfits umrundete den Tisch und ließ sich - unmittelbar gegenüber Josh - seufzend in einen gepolsterten Drehsessel sinken.
Josh bot er grinsend den Platz ihm gegenüber an.
„Nimm Platz, mein Freund. Wir erwarten die Mitglieder des Rates. Wie wäre es mit einem Schluck roten Weins?“
Josh gab keine Antwort, doch noch ehe er sich versah, fand er sich vor einem mit schwarzen Intarsien verzierten Silberpokal wieder, in den ein Bediensteter in dunkelbrauner Mönchskutte, der, seiner Erscheinung nach den beiden Ruderern, die Josh vor nicht mehr als einer halben Stunde zum Casino gebracht hatten, frappierend ähnlich, aus einer stumpf-verbeulten Blechkanne Rotwein eingoß. Wie betäubt beobachtete Josh den Fluß rubinroter Fluten, die sich, wie zeitlich hundertfach verlangsamt, vor seinen Augen in das Trinkgefäß ergossen.
Auf der anderen Seite des Tischs schlossen sich Misfits‘ plump behaarten Hände um den inzwischen ebenfalls befüllten, eigenen Pokal, die übergroßen Edelsteine, welche die Ringe an seinen Fingern zierten, glitzerten bunt im Schein des fächerartigen Kronleuchters aus Neonröhren, der, an einer in die Schwärze des Höhlenhimmels hinaufreichenden Kette, über dem Zentrum des Tischs befestigt war. „Zum Wohle, mein wild entschlossener Freund!“ Er hob seinen Pokal, prostete Josh zu, und trank ihn, während zu beiden Seiten seiner Botoxlefzen roter Wein aus seinen Mundwinkeln troff, in einem einzigen, gierigen Zug aus.
Nur wenig später betraten die Mitglieder des Rats die Höhle.
In weiten, farblich irisierenden Überwürfen glitten sie in einer langen Reihe hintereinander auf den Tisch zu, einer nach dem anderen nahmen sie ihre Plätze ein, einer wie der andere - legten sie ihre Umhänge ab, bevor sie sich niederließen; einer wie der andere glichen sie Misfits bis hinein in den notdürftigen Schnitt seines schütteren Haars und den violetten Glitzer seines Jacketts.
„Wandler!“, durchfuhr es Josh, und obwohl er mit allem gerechnet hatte in dieser Nacht, traf ihn der Anblick wie ein Donnerschlag. Blitzschnell raffte Josh all das in seinem Gedächtnis zusammen, was ihm an Wissen bezüglich dieser Wesen zur Verfügung stand.
Die Wandler!
Eines der effizientesten Produkte der GenoExperimente der letzten dreihundert Jahre, soviel Josh von der Geschichte der Mutantenbewegung bekannt war, ein Spitzenprodukt der dritten Generation, von dem nur zwanzig Stück in limitierter Auflage überhaupt jemals erschaffen worden war und - jetzt, in diesem Augenblick, fand er zwölf von ihnen vor seinen Augen versammelt. Diese Mutantenrasse war in der Lage, jede Gestalt anzunehmen, die anzunehmen sie beabsichtigte, in perfekter Kopie und nur äußerst schwer von den jeweiligen Originalen zu unterscheiden. Wandler galten als jähzornig, gefühlsarm, machtbesessen und verschlagen. Wer einen Wandler traf, so hieß es, und ihn als Wandler erkannte, der hatte sein Todesurteil unterzeichnet. Gnade gab es nicht.
Drüben aus der anderen Seite des Tischs grinste Misfits über beide Ohren.
Das Ganze schien ihm ein enormes Vergnügen zu bereiten.

*

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