Samstag, 8. April 2023
Ehremund (Erzählung/Fantasy).
Sein Rücken schmerzte, sein immer noch beachtlicher Bizeps zitterte.
Ehremund spaltete ein letztes Stück Holz, setzte seine Axt ab, stützte sich auf ihren Stiel und rang mit in die Armbeuge vergrabenem Gesicht um Atem. Sein langes Haar hing schwarz-grau, in filzigen Strähnen zu beiden Seiten des gebeugten Kopfs herab. Nach einer Weile sah er wieder auf, warf die beiden zuletzt gespaltenen Scheite auf den Holzhaufen, der sich im Laufe des Nachmittags neben ihm gebildet hatte, schulterte die Axt und kehrte zu der nahe gelegenen Hütte zurück, in der seit über zehn Jahren lebte. Ein gealterter Kämpfer, ein ehemaliger Soldat, Söldner und Barbar, ein Veteran.
Wie hatte es so weit kommen können?
Ehremund fand keine Erklärung. Im Grunde brachte er den Verlauf dieses, seines Lebens, all die Entscheidungen, die er getroffen hatte, die Gedanken, Antriebe und Intensionen, die ihn geleitet, die Emotionen und Notwendigkeiten, die ihn an diesen Punkt geführt hatten, nicht unter einen Hut. Egal, wie oft er darüber nachdachte, seinen Geist schweifen ließ oder in Erinnerung versank, das alles ergab keinen Sinn.
Mit grober, schwieliger Hand hängte er die Axt an ihren Platz neben der Tür und betrat die Hütte. Der scharfe Geruch erkalteter Asche schlug ihm entgegen. Obwohl er einen Ofen und einen eisernen Herd besaß, hatte er niemals von der Gewohnheit lassen können, an einem offenen Feuer zu sitzen, und so hatte er inmitten seiner Behausung eine Feuerstelle angelegt, an der er Abend für Abend saß und trank. So lange, bis der Nebel in seinem Kopf alle Erinnerungen auslöschte, und die Müdigkeit ihn dazu zwang, sich Schlafen zu legen. Meist schaffte er es dann gerade noch die in einer hinteren Ecke der Hütte gelegene Holzstiege hinauf, die auf das schmale Plateau führte, auf dem seine strohgefüllte Matratze lag. Der ewige Schlachtenlärm. Die blutenden, klaffenden Wunden. Das Weiß in den aufgerissenen Augen seiner Gegner. Der Rausch.
Das alles ließ ihn nicht los.
Die Diskrepanz zwischen der Existenz eines Söldners und Kriegers, der unzählige Kämpfe in allen Reichen des Kontinents ausgefochten und sogar das trennende Meer überquert hatte, um im Dienst wechselnder Herren Städte zu erobern, fremde Völker und Stämme zu unterjochen, aufkeimende Rivalitäten zu ersticken, - und dem Leben als Angestellter eines unbedeutenden Provinzfürsten, der ihn aus persönlichem Interesse an der Geschichte des Kontinents, aus Mitleid, und aus Respekt vor seinem einst berüchtigten Namen bei sich aufgenommen hatte, schien zu groß. Dort, in seinen Erinnerungen, die weiten, exotischen Wüsten Süd-Ellyriens, die schroffen, eisigen Gipfelflanken des hohen Nordens, die Gestade des großen Meeres und seiner dem Kontinent vorgelagerten Inseln, hier die bescheidenen Ländereien eines winzigen Fürstentums, ein kleiner Wald, den er zu pflegen hatte, die Holzwirtschaft, die Aufsicht über eine Handvoll einfältiger Pächter und Bauern, die das umliegende Ackerland bewirtschafteten. Wie wohl wäre sein weiteres Leben verlaufen, wenn nicht jene Schlacht stattgefunden hätte, in deren Verlauf er sich jene Verletzung zugezogen hatte, die für all dies verantwortlich war?
Wieder eine dieser Fragen, die ihn marterten, immer wieder, Tag für Tag, Nacht für Nacht.

*

(...)

AKA: "DER LETZTE BARBAR".

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(Neue Rubrik: DER KONTINENT - DAS MITTLERE REICH)