Sonntag, 11. Juli 2021
Müsste
- ich mich zwischen POE und LOVECRAFT entscheiden, so wäre Poe IMMER die No.1.



Lovecraft ist, auf seine Art, großartig, er hat - ohne jeden Zweifel - ein mythologisches Werk geschaffen, das nur schwer jemals zu erreichen sein wird. Eine Mythologie und Kosmologie des Schreckens. Selbst seinen unabhängigen Erzählungen merkt man stets diesen Drang zur großen mythologischen Ausweitung an. Er strebt nach oben, über sich - und uns alle - hinaus.
Im Grunde vergrößert er sich selbst ins Unbegreifliche.



Poe dagegen erfasst das Grauen des normalen Lebens, die Verirrung des menschlichen Empfindens, Fühlens und Denkens. Den Wahnsinn des Geistes, die Überlastung der menschlichen Seele. Den absurden, Furcht erregenden Irrsinn der Existenz und - hin und wieder - der Welt, der menschlichen Beziehungen, der menschlichen Sehnsucht und Gier.
Den Abgrund IN UNS.
Eine Erhöhung des Grauens in übermenschliche, mythologische Sphären ist niemals spürbar bei ihm. Sein eigener Versuch, eine Mythologie zu formulieren (vgl. seine, in gewisser Weise zurecht unbekannten, kosmologisch-eschatonischen Schriften, die er - tatsächlich - verfasst hat), dieser Versuch ist dermaßen chaotisch, verstandesgeleitet und trocken, dass er, trotz passenden Inhalts, eigentlich nicht zur Mythologie taugt.
Poe hatte kein Verständnis für die mythologische Perspektive.
Er war ungnädig, ungehalten, unfair manchmal, aber er hat weder sich selbst, noch irgendwen oder irgendwas, jemals überhöht (vgl. seine Rezensionen und Buckritiken!). Scharf ausgedrückt: man kann sagen, dass er der natürliche FEIND des Mythos war und ihn niemals akzeptiert und - selten nur - unbekämpft gelassen hat.
Bis hin zu seinem unwürdigen, aber in diesem Sinne durchaus stimmigen Ende ganz unten.
In der Gosse von Baltimore.



Er strebte, im diametralen Gegensatz zu Lovecraft, nicht über sich hinaus -, nein, POE strebte IN SICH HINEIN, und der dabei von ihm erzeugte Sog in den Abgrund, den jeder von uns kennt, weil er in jedem von uns lauert, nimmt alle mit, die sich einlassen und die - es wissen wollen. Poe ist derart auf Grauen erregende Weise absolut rational, während Lovecraft den Weg über die Emotion nimmt.
Lovecraft kann man, mitsamt seiner kosmologischen Mythologie, bequem und ohne Probleme, ganz einfach abtun, Poe nicht, weil er dem Menschlichen, weil er jedem von uns, wesentlich näher ist.