Dienstag, 6. Dezember 2022
Mengenlehre 2.0
Für den REALIST - ist das Ideal Teil der Realität, für den IDEALIST - ist die Realität Teil des Ideals.

Think About It!

***

Übrigens findet sich in obigem Satz ein schönes Beispiel für eine nicht zu gendernde Aussage. Die grammatikalisch (!) männliche Form „DER REALIST“ hat nichts und noch einmal: nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun, und sollte - tunlichst - auch nicht auf zwanghafte Art und Weise mit ihm in Verbindung gebracht werden.
Da liegt das grundsätzliche (und - unmögliche) Problem der genderideologischen Sprachoffensive offen vor uns: JEDE gegenderte Form steht in unlösbarem Zusammenhang zum biologischen Geschlecht, verweist, lenkt, drängt den Gedanken daran auf, und evoziert somit notwendig immer wieder aufs Neue die, im Rahmen der Ideologie selbst als Grundprinzip eigentlich zu leugnende, biologische Realität.

Man erschafft, was man zu leugnen sucht.

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Sonntag, 4. Dezember 2022
Ups!
Ein Serverumzug!

Das ging ja mal glatt!

Respekt und - generell: many many thanks!

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Freitag, 25. November 2022
Die Begutachtung (Studie).
Eine Kafkaeske.

Der Mann hatte offenbar nicht das geringste Interesse daran, eine ernsthafte Begutachtung auch nur theoretisch in Erwägung zu ziehen. Er kam, zwanzig Minuten zu spät, nachdem man ihn zunächst telefonisch suchen und ersuchen musste, wirkte, als hätte er wesentlich lieber zuhause weiter Fußball geschaut, und sich nur für diesen einen, in seinen Augen widerlich lästigen Termin angezogen.
K. war zuvor vom Bahnhof aus den kurzen Weg zu dem mehrstöckigen, in schmutziges Betongrau getauchten Bürogebäude, in dem seine Begutachtung stattfinden sollte, zu Fuß gegangen. Er hatte geklingelt, und ein ahnungsloser Portier hatte ihm die Tür geöffnet. Anschließend war er mit dem Aufzug in den zweiten Stock gefahren, wo ihn lang gestreckte, dunkel-verlassene Flure empfingen, gesäumt von unzähligen Türen, neben denen Namensschilder davon erzählten, dass hier einmal Menschen Arbeit verrichtet hatten. Er suchte und fand, ganz am Ende eines Flurs, das Zimmer mit der Nummer 218, klopfte, und erhielt keine Antwort.
K. ließ etwas Zeit verstreichen, dann versuchte er es erneut.
Das Ergebnis blieb das gleiche, und so machte er sich wieder auf den Weg durch die verlassenen Flure, lauschte an Türen und stieß schließlich nach einiger Zeit auf Hinweise, die seiner Hoffnung auf menschliche Präsenz Nahrung zu geben schienen. Er klopfte, wurde hereingebeten, und sah sich drei distinguierten Herren gegenüber, welche sich, lässig über Stühle hingestreckt, bei Kaffee und Gebäck zu einem vorweihnachtlichen, gemütlich anmutenden Plausch zusammengefunden hatten.
Nur mühselig die Fassade jovialer Freundlichkeit wahrend nahm sich einer der distinguierten Herren seiner an, beorderte ihn auf einen Stuhl im menschenleeren Flur, hieß ihn warten, und nach einigen Telefongesprächen schließlich teilte man ihm mit, dass der Gutachter wohl bald käme.
K. beschloss, die restliche Wartezeit unmittelbar vor Zimmer 218 zuzubringen, dort angekommen machte er es sich, an eine Fensterbank gelehnt, bequem, und harrte der Dinge, die da kamen.
Eine Reinigungeskraft schleppte sich durch den Flur, um dem allgegenwärtigen Linoleumboden, über den sich, außer ihr selbst, so gut wie niemand jemals bewegte, zusätzlich noch einmal etwas mehr Glanz zu verleihen.
Als der Gutachter kam, schenkte K. ihm ein unverschämtes Lächeln.
"Sie haben einen Termin?", fragte der Gutachter. K. bejahte. "Dann warten Sie hier, ich rufe Sie in ein paar Minütchen rein!".
"Minütchen", dachte K., und setzte das Warten fort.

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Mittwoch, 16. November 2022
Gegen den Tag.
- eine Thomas-Pynchon-WhatsApp-StatusFolge.

Um diverse Emojis bereinigt.

I/PROLOG

15-11/22-12.40



15-11/22-12.52

Ich hab' mal Pynchon's "Enden der Parabel" gelesen, nicht ganz selbstverständlich, aber da hat mich der erste Satz auch schon dermaßen weggeblasen, dass ...
Bin gespannt, ob das jetzt auch wieder passiert!

15-11/22-12.56

Verdammt, der schreibt wie ich.

15-11/22-13.05

Heißt: ich MUSS das Buch
GANZ lesen, um mich, in meinem Zeug, irgendwie, oder irgendwo, auf ihn beziehen zu können.

II/ERSTER AKT

16-11/22-10.28

Gut, natürlich schreibt er, hochstilistisch, auch was den lockeren Verbund von Bildassoziationen, oder die Anwendung von Einschüben und Adjektiven angeht, wie ich, ABER - ER verbleibt relativ streng im - sagen wir - affektierten Konstruktionsaufbau, welchen ICH, für gewöhnlich, hin und wieder auch einmal aufzulockern geneigt bin.

17-11/22-3.17

Ich liebe es, jede Zeile, jeden Satz. So frei in der strikten Befolgung der Regeln.

17-11/22-3.34

Ein weiterer stilistischer Unterschied zu meiner Person: ICH neige dazu, die Regeln zu verändern, wenn sie mir nicht klingend genug erscheinen, oder umgehe sie, wenn sich keine reguläre Veränderung ergibt, mittels Umformulierung. Vielleicht sollte ich auch einmal strikt nach Regel formulieren, auch wenn es für meine Ohren nicht ausreichend gut genug klingt oder meinem Sprachgefühl widerspricht.

Regeln, paah, früher habe ich zeitweise strikt nach Rhythmus geschrieben!

Heute nicht mehr, zumindest nicht im Falle reiner Prosa.


17-11/22-9.09

Pynchon bedeutet, für jemanden, der
selbst schreibt, natürlich zwangsweise immer zuerst die Auseinandersetzung mit seinem Stil, da kann man lernen. Eigentlich ist das zwar bei allen großen Literaten der Fall, Thomas Mann sei hier genannt, von dem ich, gerade in den letzten zehn Jahren, stilistisch noch einmal viel gelernt habe, aber Pynchon, mit seiner postmodernen Schreibweise, die keine klassische Erzählweise ist, macht die Auseinandersetzung, auch weil sein Stil meinem eigenen in gewisser Weise ähnelt, noch einmal zusätzlich unumgänglich.

17-11/22-9.22

Apropos - unter den klassischen, deutschen Erzählern, die natürlich in stilistische Hinsicht interessanter sind, weil sich da kein Übersetzer zwischengeschaltet findet, ist für mich - neben Th. Mann, der nicht in allen seinen Werken restlos überzeugen kann - Fontane der größte. Nicht einmal unbedingt in seinen Romanen, Novellen und Erzählungen, sondern da, wo er, wie zum Beispiel in den ?Wanderungen" oder seinen historischen und privaten Erinnerungen, ungezwungen autobiographisch erzählt. Da fließt es erzählerisch dahin, dass es eine einzige Wonne ist.

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