Samstag, 13. August 2022
A Road Of Classic Worlds.
Raymond Feist - Midkemia.

Vorneweg die ersten 4 Bände, Midkemia 1 bis 4, und unter diesen nochmals Band 1 - THE RIFTWAR SAGA 1: MAGICIAN APPRENTICE, 1982, deutsch: erstmalig 1984 unter dem Titel PUG UND TOMAS in der legendären Goldmann-Fantasy-Reihe.
Und obwohl ich seinerzeit extrem viel aus dieser Reihe gelesen habe - Springer, Stallman, Chalker, Ford, Kahn, Hohlbein/Winkler, ist mir der Feist damals kolossal durch die Lappen gegangen. Den hab ich dann erst in der zweiten Ausgabe unter dem Titel DER LEHRLING DES MAGIERS gelesen, ganz zu Anfang der 2000er.
Midkemia's Geheimnis liegt im präzisen, exakt auf das Notwendige berechneten Zuschnitt, aus dem Feist seine Welt gebiert, die einfache, aber höchst wirkungsvolle Art und Weise, auf welcher er dem Leser die weitestgehende Freiheit der eigenen Phantasie gestattet. Und das gilt für sämtlich denkbaren Perspektiven, für Orte, Gebäude, Natur, Wald, Menschen, Elben, Zauberer, verliebte Jungs, Hausdrachen, Klippen und Meere - diese Welt, und das ist das Sensationelle an Midkemia, erwächst in Echtzeit des Lesevorgangs, Burgen, Bergfriede im fahnengekrönten Trotz, graue Steinmauern und bröckliger Mörtel wachsen empor aus einer präzisen, knapp umrissenen Grundlage, die von Feist beständig, ohne den geringsten Abfall, permanent in göttlicher Gleichmäßigkeit belegt wird. Es ist eine Welt, deren ENTSTEHUNG man - was nur sehr selten vorkommt - während des Lesens betrachten (und fühlen) kann, in Bildern, Farben, Konsistenzen, Burgmauern wachsen in dem Moment in die Höhe, in dem man sie zum ersten Mal sieht, das bunte Treiben der Bevölkerung, das anschwillende Staunen wird geboren just während man gerade im Burghof anlangt, wo sich alle getroffen haben, um die Ankunft der ElbenKönigin zu bestaunen, oder - am Abend, wenn man mit den jungen Pug und Tomas den Festmahl's-Saal betritt.
Und das in jeder einzelnen Szene, in jedem Augenblick der Zeit. Das erzeugt eine Dichte der Weltenschöpfung, die unglaublich ist.

Die große Frage diesbezüglich: wie setze ich an?

Oder (frei nach Goethe): sag an, wie hälst du's mit der Phantasie der Leser?

Geblieben ist vor allem auch Band 4 - DUNKEL ÜBER SETHANON, mit der Schilderung einer gigantischen Belagerungsschlacht, die - ja, wie sagt man das? - EXORBITANT ist.
Feist ist hier unter anderem Vorreiter für Martin und Erikson (dessen gesamter Zyklus vom SPIEL DER GÖTTER exorbitant genannt werden muss), und das obwohl er aus einer hundertprozentigen, ganz klassischen Position der HIGH FANTASY kommt.
Überhaupt ist - wie in vielen, guten Fantasyromanen - die Eingangswelt nahezu überklassisch. Ein Fantasyidyll. Hier, bei Feist aber, erwächst die Bedrohung des Idylls nicht aus sich selbst heraus, sondern sie kommt von außen. Durch Risse und Spalten, die unvermittelt in eine andere Welt führen. Eine fremde Welt, eine kriegerische Welt.
Hier ist es nicht DAS BÖSE, das erwächst, es ist, zunächst einmal nur, DAS FREMDE.

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Freitag, 5. August 2022
Vampirismus
- oder die Sehnsucht nach Unsterblichkeit.



Norbert Borrmann, 1999.

Äääh, ja. Ein fehlgeleitetes Buch, würde ich sagen. Ein Buch, das nur eine einzige Funktion erfüllen kann: einen breiten Überblick liefern über sämtliche Assoziationswege, die man so beschreiten kann bei dem Thema. Gleichgültig, ob sie sinnvoll sind, oder nicht.

Nichts ist in die Tiefe gedacht, nichts ist zusammenhängend, und manches ist schlicht und einfach - faktisch falsch.

Wenn einer schon die Verbindung zwischen Vampirismus und Satansimus zieht, die eh schon in sich recht brüchig ist, und dabei dann den "größten Satanisten" Aleister Crowley exemplifiziert, dann kann man das - im Gnadenfall - immer noch als das übliche Crowleybashing verstehen, und akzeptieren. Wenn es sein muss.
Aber wenn dann die Untaten des "größten Satanisten" hochgespitzt werden zu bluttriefenden Schlachtungen, und zuletzt auch noch ein Zitat des "größten Satanisten" präsentiert wird, das angeblich aus der Satanischen Bilbel stammt, die er angeblich verfasst haben soll, dann - ist das geradezu kriminell.

Die Satanische Bibel erschien in den sechziger Jahren und stammt von Anton Szandor LaVey, dem Gründer der Church Of Satan. Es handelt sich um das Grundlagenwerk dieser in den USA als Kirche anerkannten Vereinigung.
Da war der gute Aleister schon ne ganze Weile tot.

Da fragt man sich doch: wieso schreibt der da sowas faktisch Falsches in sein Buch? Entweder er hat im falschen Lexikon nachgeschlagen, oder er hat sich überhaupt nicht um irgendwelche Informationen bemüht. So oder so: der Mann hat keine Ahnung, nicht die geringste.
Nächste Frage.
Dem Verlag scheint es ja wohl auch scheißegel zu sein, was seine Autoren so zusammenschreiben, oder?

Dritte Frage: wie soll der Leser jetzt wissen, ob im Rest des Buches nicht auch einfach nur Bockmist steht, was die Faktizität angeht?

Und ich persönlich stehe jetzt vor der schwierigen Entscheidung, ob ich denn weiterlese (wegen der sehr breiten Assoziationsfläche) oder das Ding in die Ecke werfe.

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Dienstag, 2. August 2022
Poe.
Keiner der schreibenden Menschen, mit denen ich mich bisher näher befasst habe, erscheint, biographisch und interpretatorisch, so unfassbar wie Eddie Poe. Dabei liegen die Urgründe eigentlich relativ offen, und sind im Prinzip auch relativ einfach gestaltet.
Das wirkliche Problem liegt eindeutig in der Poe-Interpretation selbst.
Aus irgendeinem Grund suchen im Falle von Poe alle irgendwie immer nach tieferen Zusammenhängen, was dann mitunter zu den seltsamsten Konstruktionen führt.
Im Fall Kafkas zum Beispiel wird die offenbare, gegebene Oberfläche akzeptiert, auch im Fall Nietzsches sind die offensichtlichen Bezüge zwischen Biographie, Psychologie und Werk kein Problem.

Nur bei Poe suchen sie alle nach etwas Verborgenem.

Das ist - im Mindesten - äußerst amüsant, weil es tatsächlich eher auf die Wirkung der poeschen Atmosphäre auf das Unterbewusstsein des Lesers verweist - als auf Poe selbst.

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Samstag, 30. Juli 2022
Therapeut und therapeutische Situation.
Eine therapeutische Situation darf, vom Therapeuten her, nie aus einer Position der Überlegenheit heraus bestritten werden. Was sich als besonders schwierig zu bewerkstelligen erweist, wenn der Therapeut es mit einer ausgeprägten, sehr tiefen, und deshalb starken Minderwertigkeit zu tun hat, deren Trick und Problem ja essentiell gerade im Übertragen, Projizieren und Aufdrängen der strikt zu meidenden Überlegenheitssituation auf das Gegenüber besteht.
Ein Therapeut, der selbst - außerhalb der herkömmlichen Übertragungsprozesse in der therapeutischen Situation - eine Minderwertigkeit in sich nährt, ist, obwohl in der Praxis vorkommend, theoretisch vollkommen ausgeschlossen.

Größenwahn wäre wieder ein eigenes Thema.

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