Mittwoch, 1. Juni 2022
Phil Dick.
Study for Philip K. Dick

https://youtu.be/MYmJFdzPwLc

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Es existiert kein Ausweg aus diesem Labyrinth, denn es verändert sich, während du deinen Weg hindurch suchst. Es verändert sich, weil es etwas Lebendiges ist.

Philip K. Dick - VALIS

Wahrscheinlich die paranoideste Aussage, die man treffen kann.

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UNBERÜHRT/Expression I.
Aus Psyche & Phantastik, Band 1


Der alte Asiate saß stumm.
Sein fadendünnes Haar, lang und grau, ragte, gleich Brückenseilen, die im Nebel verschwinden, vom Wind getragen, horizontal ins Leere. Abenteurer überqueren solche Brücken, die, von maroden Stricken gehalten, über verwilderte Abgründe führen. Solange bis sie unter irgendeiner Last reißen und das Holz der Brückenplanken unwiederbringlich in die Tiefe stürzt. Lederne Hüte, abgewetzt und abgetragen - Abenteurerhüte und Peitschen.
Soweit man blicken konnte umgaben stufenartig angelegte Gärten die Terrasse, auf der wir saßen und uns anschwiegen. Eine schwere, alles erdrückende Schwüle lag in der Luft, hier im Süden Tabogas gab es keine Jahreszeiten, keine nächtliche Abkühlung, keine noch so geringe klimatische Veränderung der Lebensbedingungen. Dies war nicht Europa, nein, es war nicht einmal mehr die Erde.
Ich werde Ihnen davon erzählen, wie es mich hierher verschlagen hat, alleine und - bisher - ohne eine Möglichkeit der Rückkehr.
Träume von Raumschiffen, gigantischen Sternenkreuzern, tonlos blinkend inmitten der unendlichen, luftlosen Schwärze des Alls, erfüllen meine Nächte, rauben mir den Schlaf, einen Schlaf, der in diesem Klima so oder so nichts wert ist.
Ein fremdartiges Insekt beginnt uns zu umschwirren. Inzwischen weiß ich, dass diese gefährlich anmutenden Wesen harmlos sind, weil sie ihr tödliches Gift, das sie durch einen langen Stachel injizieren, ausschließlich gegen die bevorzugte Beute, den tabogischen Fleischwurm zum Einsatz bringen. Dennoch bleibt es irritierend, die faustgroßen Kreaturen in unmittelbarer Nähe zu wissen. Vom lauten, enervierenden Summen, das sie erzeugen, ganz zu schweigen.
Seit nunmehr zehn Tagen warte ich darauf, dass der Asiate mit mir spricht. Er ist das einzige menschliche Wesen, dem ich in dieser Welt bisher begegnet bin. Ich erhoffe mir genauere, über meine eigenen Mutmaßungen hinausgehende, Informationen darüber, wo genau ich mich befinde und wie ich vielleicht nach Hause zurückkehren kann.
Das widerwärtige Insekt verflüchtigt sich, schwirrt träge durch einen der glaslosen, gotischen Fensterbögen hinaus in die erdrückende Schwüle des Nachmittags. Affenartige Diener kommen und gehen. Manche sehen nach dem Rechten, andere bringen Tee und platzieren silbern ziselierte Tassen und Kannen auf dem Tisch.
Doch ich will mein Versprechen halten und davon erzählen, wie ich hierher gelangt bin, in diese Hölle, diese befremdliche Ausweglosigkeit meiner Existenz.

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