Samstag, 23. April 2022
Buddhismus II - Kleines Fahrzeug
Vorab: was die drei Fahrzeuge (Kleines - Großes - Dimantenes Fahrzeug) angeht, fühlte und fühle ich mich bisher immer als dem Großen Fahrzeug angehörig.

Das Kleine Fahrzeug, sozusagen der ältseste, buddhistische Kern (Glasenapp), erinnert mich in seinen Fragestellungen doch sehr an die Zeit der christlichen Scholastik. Universalienproblem zum Teil, Prädestination, die Frage nach der Existenz eines Schöpfers und Weltenlenkers, die es mit aller Macht verneint und ablehnt.
Muss es ja auch.
Die logische Überlegung dahinter: wenn es einen Weltenlenker und Schöpfer gibt, dann ist keine Erlösung möglich.
Frappierend, und richtig.
Allerdings nur im Rahmen des buddhistischen, kleinen Fahrzeugs.
DHARMA ist alles, könnte man sagen.

Zum Thema DHARMA ein - recht frühes - Gedicht (könnte mal wieder eins verbrechen!), das hier gut als Argumentations- und Interpretationslinie passt.

Membran

Kein Dazwischen, kaum Substanz,
Erscheinungen im Inneren - im Äußeren.
Das alles ist vergänglich,
niemals fest, niemals beständig, immer werdend, in Bewegung,
strebend, sterbend, sich verbindend,
Strom,
Bewusstseinsstrom,
innerlich und äußerlich, eine Schwadronie - vorbei,
niemals haltend, zweigeteilt
durch die Membran, Membranum, spiegeldünn,
um Haaresbreite, vielleicht flüssig, außen, innen,
ein langer Marsch - vorbei
an der Membran.

o

(11/96)

Gedicht ist im Original zentralgesetzt, so dass sich auch ein visueller Eindruck ergibt. Auch der Zeilenumbruch ist gegenüber dem Original verändert.

Das ist hier leider alles nicht formatierbar.

Aber es geht ja auch mehr um das Inhaltliche.

Macht also nix.

DHARMA bezeichnet das, in unendlichem Fluss aufeinanderfolgende, durch Abhängigkeit von Ursache und Wirkung bestimmte, Erscheinen und Vergehen sämtlicher innerer wie äußerer Phänomene.
Eines dieser Phänomene ist dabei das Konzept des SELBST, das ebenfalls von keinerlei Beständigkeit zeugt, sondern sich, wie alle anderen Erscheinungen auch, immer während im Fluss befindet. Auch das SELBST verändert sich in jedem Augenblick.
Auch das SELBST ist abhängig.
Nichts, das abhängig ist jedoch, gestaltet sich dauerhaft, oder existiert eigenständig aus sich selbst heraus. Insofern ist auch ein eigenständiges SELBST nicht existent. Es entsteht erst mit dem Ergreifen und Beharren, der Anhaftung des Geistes, der Verfestigung, also einer Stasis, die sich dem ewigen Fluss des DHARMA zu widersetzen versucht und - am Ende - notwendig immer wieder an diesem Versuch scheitert.
Wer im ewig wiederholten Vorgang des Beharrens gebunden ist, der setzt sich permanent neuem Leid aus und stirbt unzählige Tode.
Es ist also ratsam, sich vor jeglicher Anhaftung, jeglichem Beharren, in Acht zu nehmen.
So kann das Leid beendet werden.

Das KLEINE FAHRZEUG erscheint mir am ehesten wie etwas, das man als Dogmatik ansehen kann, etwas, das - aus diesem Grund - den herkömmlichen dogmatischen Offenbarungsreligionen noch am nächsten kommt. Relativ eng begrenzt, und danach recht schnell vom GROßEN FAHRZEUG wesentlich erweitert.

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