Sonntag, 25. August 2024
Zellenengel - (Erzählung/SF) - II.
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Den Neuankömmlingen wird ein gewisser Spielraum gewährt, den man als die „Zeitspanne der Gewöhnung“ bezeichnet, schließlich ist es nicht einfach, seine Freiheit aufzugeben, um unvermittelt ein rein geistiges Leben in absoluter Abgeschiedenheit zu führen. Es erfordert ein Maß an Entschlossenheit, Talent, Gewöhnung und Zeit, das nicht jeder aufzubringen vermag.
Viele neigen dazu, sich und ihre Fähigkeiten in dieser Hinsicht zu überschätzen.
Ist die Frist jedoch verstrichen, und kann der jeweilige Insasse nicht überzeugende Gründe für die Verzögerung eines konzentrierten Arbeitsbeginns plausibel machen, so wird kein Aufschub mehr gewährt: nach einem letzten klärenden Gespräch wird der Betroffene umgehend wieder ausgegliedert und in die körperlichen Produktionsprozesse des Kollektivs zurückbeordert. Einzig einige wenige, deren zuvor erwiesene Kreativität sich nicht einstellen will oder frühzeitig versiegt, verbleiben dennoch im System und übernehmen von da an strukturelle Arbeiten, fertigen Abschriften an, zeichnen bereinigte Versionen von Graphen und Tabellen oder stellen nach handschriftlicher Vorlage exakte Skizzen und Pläne her.
Darüber hinaus kann nur der Tod den Aufenthalt des Insassen beenden.
Für alle endgültig Aufgenommenen lautet die Alternative also schlicht: anhaltende geistige Kreativität - oder vorzeitiger, physischer Tod. Die aufgenommenen Insassen sterben also entweder nach einem langen, kreativen und der Gesellschaft dienlichen Leben von alleine oder - eine zweite Möglichkeit, über die jedoch nur selten öffentlich gesprochen wird - sie beenden ihre Existenz freiwillig mittels eines schnell wirkenden und in diesem Sinne humanen Giftgases, das - sollte es notwendig sein - aus winzigen Düsen in ihre Zelle geleitet wird.
Eine beeindruckend einfache Wahl und erfrischend unkomplizierte Lebensperspektive, wenn ich mich einmal so ausdrücken darf.
Natürlich hat man - bedauerlicherweise - immer wieder auch Fälle von körperlicher Schwersterkrankung. Insassen, die an chronischen Erkrankungen leiden, werden mit Medikamenten versorgt und erhalten den Beistand eines kompetenten Mediziners, den sie nach Belieben, höchstens aber dreimal pro Woche, anfordern und konsultieren können. Er wird in den meisten Fällen den Zellenbewohnern via Monitor zugeschaltet.

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Alternativtitel: "Körperlos".

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Sonntag, 11. August 2024
Zellenengel - (Erzählung/SF) - I.
In einer Staubwolke landete das Buch auf dem Boden. Niemand hatte es herausgezogen, keine Hand hatte nach ihm gegriffen oder es auch nur berührt - nicht mehr seit über tausend Jahren. Als wäre ein plötzlicher Windstoß hindurchgefahren, bewegten sich plötzlich die Seiten, raschelten, die Bindung des Buchs knarzte leise und, wie zufällig, blieb es an einer vorbestimmten Stelle offen liegen.
Seine fleischlosen Augen machten sich ans Lesen.
Ohio, 14. März 2103.
Dies sind die Aufzeichnungen des Insassen O-18184, aufgefunden nach seinem Selbstmord am frühen Morgen des 11. Juni 2101. Obwohl die Untersuchungskommission vehement an den Schilderungen des Selbstmörders zweifelt - ja, geneigt ist, sie für die grotesken Fantasien eines durch und durch Wahnsinnigen zu halten -, wurde entschieden, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Wir übersenden Ihnen hiermit den Originaltext, mitsamt einigen von uns markierten (kursiv gesetzten) Passagen, die wir dringend zur Zensur anraten, da sie ein unerwünschtes Licht auf das Zellensystem werfen.
Der Text selbst gliedert sich in zwei Teile, von denen der erste eine kurze Einführung zum System selbst, seiner Geschichte und Funktion, gibt, während der zweite die entarteten, selbst formulierten Fantasien des verstorbenen Insassen im Original wiedergibt.
Der beigefügten Aktennotiz folgte der eigentliche Text. Obwohl er die Geschichte schon kannte, las er weiter und vertiefte sich in die Sätze und Worte, die er vor langer Zeit, zumindest was den zweiten Teil betraf, eigenhändig verfasst hatte.
Einfache metallische Gehäuse, fensterlos, hermetisch abgeschlossen, ohne unmittelbare Verbindung zur Außenwelt, hunderttausende von ihnen existieren in den unzugänglichen Regionen der Hochgebirge oder den unauslotbaren Tiefen verschiedener Höhlensysteme weit unter der Oberfläche der Erde. Ihr Sinn und Zweck besteht in der gezielten Anregung und Förderung menschlicher Kreativität, der kompromisslosen Ausreizung des in dieser Hinsicht abrufbaren, neurologischen Potentials. Jedem Mitglied des Kollektivs steht es mit Vollendung des dreiundzwanzigsten Lebensjahres frei, sich für den Rückzug in eines der Zellensysteme zu entscheiden. Man stellt einen Antrag und erlangt meist ohne weitere Komplikationen die Erlaubnis. Wenige Tagen später dann zeigt ein Signal des persönlichen Postempfängers den Eingang der Information zu Lagebedingung und Standort des zugewiesenen Systems, und man verlässt seine Wohnkapsel, verschließt ein letztes Mal die Tür hinter sich, um von da an ein selbstloses und ehrenvolles Leben im Dienste des Kollektivs zu führen. Sämtliche Besitztümer werden zurückgelassen. Sie verbleiben in den Wohneinheiten der Antragssteller und werden später unter den Bedürftigen des Kollektivs verteilt. Nichts ist zur Mitnahme erlaubt, außer Büchern, digitalisierten Wissensbeständen und, vielleicht, individuellem Schreib- und Arbeitsmaterial. Alles andere, das der eine oder andere vielleicht noch zu benötigen glaubt, muss nach Bezug der Zelle vor Ort beantragt werden.
Wie jeder weiß, resultieren seit Jahrzehnten ausnahmslos alle bedeutenden Entdeckungen der exakten Wissenschaft, aber auch der Geisteswissenschaft und Kunst, der Theologie, der Philosophie, einzig aus den streng überwachten Kreativitätsprozessen der Insassen jener Zellensysteme, die - solange sie ihre Aufgabe erfüllen - ein sorgloses und bequemes Leben führen, einsam und spartanisch, jedoch gänzlich frei von existentiellen Ängsten irgendeiner Art; man sorgt für sie, umgibt sie mit all der Sicherheit, die sie benötigen, um ihre Aufgabe zu erfüllen.
Natürlich provoziert diese Verheißung vollkommener, existenzieller Sorglosigkeit gelegentlich Versuche des Missbrauchs. Diesbezüglich haben die Zellensysteme mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen wie alle anderen staatlichen Versorgungs- und Wohlfahrtssysteme der Vergangenheit auch. Der Ablauf des Lebens in der Abgeschiedenheit der Zellen jedoch lässt solche Missbrauchsversuche nicht lange unentdeckt. Wände, Fußböden und Decken der Zellen sind von hoch sensiblen Messeinrichtungen durchsetzt, die unablässig in jedem Augenblick die Geistesleistung der jeweiligen Insassen aufzeichnen, den Aktivitätsgrad der Hirnareale abbilden, und so mittels zentralisierter Überwachungstechnik die Parameter errechnen, die laufend darüber Aufschluss geben, ob, und in welchem Maße, der Eingeschlossene noch produktiv arbeitet oder - im Gegenteil - in ein neurologisch dumpfes, ziel- und nutzloses Dahinvegetieren verfallen ist.
Letzteres ist unter keinen Umständen erwünscht.

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Alternativer Arbeitstitel: "Körperlos".

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Donnerstag, 2. Mai 2024
LAST SNEAK: Kristallwelt (Erzählung/SF).
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Eine Viertelstunde später tauchte die vermeintliche Rettung auf.
Sie hatten das verfallene Bahnhofsgelände hinter sich gelassen und bewegten sich durch die Unwirklichkeit einer spröden, von trockenen Ginstersbüschen durchsetzen Landschaft, als Finn etwas entdeckte: nicht weit entfernt, auf der Kuppe eines mit sattem Grün bedeckten Hügels, gewahrte er eine Gruppe Menschen, allem Anschein nach Bürger der Kristallstadt - eine Familie mit Kindern und, was in diesem Moment vielleicht wichtiger war als alles andere, einem blauen Van, dessen Türen einladend offen standen, während seine Besitzer damit beschäftigt waren, zwei Pferde über den Zaun einer Koppel hinweg zu streicheln und zu füttern.
Finn hätte am liebsten laut aufgeschrien.
Und genau das tat er dann auch. Er brüllte und winkte, wie ein Wahnsinniger.
Auch Eloise schrie aus Leibeskräften, allerdings tat sie es aus einem anderen Grund, denn sie hatte inzwischen über ihre Schulter gesehen und den keifenden Mob entdeckt, der sich ihnen Meter um Meter näherte.
Diesmal jedoch schien das Glück auf ihrer Seite zu sein.
Die Bürger der Kristallstadt hatten sie bemerkt, die Kinder reagierten und winkten voll ausgelassener Fröhlichkeit zurück.
So weit so gut, dachte Finn noch. Dann aber, während sie der Rettung näher und näher kamen, fielen ihm plötzlich Ungereimtheiten auf, die ihn an der Tatsächlichkeit seiner Wahrnehmungen zweifeln ließen. Die hoch aufgeschossene Gestalt des Vaters, der schließlich oben auf dem Hügel in einem grauen Staubmantel vor ihm stand - den Kopf gesenkt, das Gesicht unter der breiten Krempe eines ebenso grauen Huts verborgen – war, wie Finn entsetzt feststellte, das einzige lebende Wesen des Grüppchens. Die Frau, wie auch die Kinder, waren Leichen, mit Draht notdürftig am Gatter der Pferdekoppel befestigt, in sich spannungslos, halb verwest und mit leeren, blicklosen Augenhöhlen. Arme und Beine, bemerkte Finn, waren an lange Holzstöcke gebunden, deren Enden die männliche Gestalt in Händen hielt – wie ein Marionettenspieler, der seine Puppen führt und ihnen so den Anschein von Lebendigkeit verleiht. Sogar die beiden Pferde – stellte er fest - waren nur Trugbilder, denn unzählige fette Fliegen tummelten sich auf den sorgsam am Zaun drapierten Kadavern, während mehlige Maden sich durch das Fleisch fraßen, durch das an verschiedenen Stellen bereits die blank genagten Knochen schimmerten.
„Was zum Teufel…“, schoss es Finn durch den Kopf, und sein Unwille ließ am Ende keinen Platz mehr für reales Entsetzen.
Der Mann im Staubmantel hob den Kopf und fixierte ihn mit bedrohlichem Blick, seine Augen glühende Falter im Nichts. „Du hast doch nicht etwa gedacht, dass du damit durchkommst, Finn?“, wisperte er, „Ich, WIR!, werden eure verlogene, saubere Welt aus Kristall zerschlagen – eure glitzernden Dome und Paläste, eure Monumente, die frevlerischen Statuen eures barmherzigen Gottes, der nicht mehr ist als ein Idol, hinter dem ihr eure Verderbtheit zu verstecken sucht. Ja, Finn, auch du, und vielleicht gerade DU!“ Und mit diesen Worten hob er den Arm und zeigte mit ausgestrecktem Finger auf sein Gegenüber, das sprachlos, verdattert und bleich vor ihm stand. „Wie Ratten, werden wir über Euch herfallen und nichts zurücklassen als - Glassplitter und Staub.“
Finn wurde schlecht.
Er sah den überdimensionierten Finger, der auf ihn gerichtet war, und musste würgen.

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In: "Psyche & Phantastik I".

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Womögliche Titeländerung: „Stadt der Engel“.

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Sonntag, 28. April 2024
Incarnation 3000 - A Weird Tale - (Erzählung/Weird) - VI/Wandler!
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Josh folgte Misfits durch das Gedränge der öffentlich zugänglichen Räume des Casinos, die sie alsbald durch eine gesicherte Tür im hinteren Bereich wieder verließen, um durch leicht abfallende, in den Fels geschlagene Tunnel in eine weite, hohe Felsenhöhle zu gelangen. Bis auf einen mächtigen, ovalen Holz-Metall-Tisch, dessen Oberfläche in spätmodernistisch-spiegelndem Glanz erstrahlte, war die Höhle leer und kalt.
Misfits umrundete den Tisch und ließ sich - unmittelbar gegenüber Josh - seufzend in einen gepolsterten Drehsessel sinken. Josh bot er grinsend den Platz ihm gegenüber an.
„Nimm Platz, mein Freund. Wir erwarten die Mitglieder des Rates. Wie wäre es mit einem Schluck roten Weins?“
Josh gab keine Antwort, doch noch ehe er sich versah, fand er sich vor einem mit schwarzen Intarsien verzierten Silberpokal wieder, in den ein Bediensteter in dunkelbrauner Mönchskutte, der den beiden Ruderern, die Josh vor nicht mehr als einer halben Stunde zum Casino gebracht hatten, frappierend ähnlich sah, aus einer stumpf-verbeulten Blechkanne Rotwein ausschenkte. Wie betäubt beobachtete Josh den Fluß der rubinroten Fluten, die sich, zeitlich hundertfach verlangsamt, vor seinen Augen in das Trinkgefäß ergossen.
Auf der anderen Seite des Tischs derweil schlossen sich Misfits‘ plump behaarten Hände um den ebenfalls befüllten, eigenen Pokal, die übergroßen Edelsteine, welche die Ringe an seinen Fingern zierten, glitzerten bunt im Schein des fächerartigen Kronleuchters aus Neonröhren, der an einer im Schwarz der Höhlendecke endenden Kette über dem Zentrum des Tischs befestigt war. „Zum Wohle, mein wild entschlossener Freund!“ Er hob seinen Pokal, prostete Josh zu, und trank ihn, während zu beiden Seiten seiner Botoxlefzen roter Wein aus seinen Mundwinkeln troff, in einem einzigen, gierigen Zug aus.
Nur wenig später betraten die Mitglieder des Rats die Höhle.
In weiten, farblich irisierenden Überwürfen glitten sie in einer langen Reihe auf den Tisch zu, einer nach dem anderen nahmen sie ihre Plätze ein, einer wie der andere - legten sie ihre Umhänge ab, bevor sie sich niederließen.
Alle glichen sie Misfits bis hinein in den Schnitt seines schütteren Haars und den violetten Glitzer seines Jacketts.
„Wandler!“, durchfuhr es Josh, und obwohl er mit allem gerechnet hatte in dieser Nacht, traf ihn der Anblick wie ein Blitz. Rasch raffte Josh all das in seinem Gedächtnis zusammen, was ihm an Wissen bezüglich dieser Wesen zur Verfügung stand.
Die Wandler!
Sie galten als eines der effizientesten Produkte der GenExperimente der letzten dreihundert Jahre, soviel Josh von der Geschichte der Mutantenbewegung bekannt war, ein Spitzenprodukt der dritten Generation, von dem nur zwanzig Stück in limitierter Auflage jemals erschaffen worden war und - jetzt, in diesem Augenblick, fand er zwölf von ihnen vor seinen Augen versammelt. Diese Mutantenrasse war in der Lage, jede Gestalt anzunehmen, die anzunehmen sie beabsichtigte, in perfekter Kopie und nur äußerst schwer von den jeweiligen Originalen zu unterscheiden. Wandler galten als jähzornig, gefühlsarm, machtbesessen und verschlagen. Wer einen Wandler traf, so hieß es, und ihn als Wandler erkannte, der hatte sein Todesurteil unterzeichnet. Gnade gab es nicht.
Drüben aus der anderen Seite des Tischs grinste Misfits über beide Ohren.
Das Ganze schien ihm ein enormes Vergnügen zu bereiten.

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Next: "Incarnation 3000 - A Weird Tale" (Erzählung/Weird) - VII - "Der Rat der Zwölf".

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Aus: "Pase IV:Die Legende vom Bewahrer".

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Montag, 1. April 2024
Incarnation 3000 - A Weird Tale - (Erzählung/Weird) - V-II/Störtebeeker - (Fortsetzung).
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Von Störtebeeker misstrauisch beäugt bestieg Josh das Boot. Als sie sich niedergelassen hatten, Josh nahe des Affen, Misfits ihm gegenüber - hinter den Ruderern, am anderen Ende des Boots, kamen dem Revolutionär Zweifel ob der Realität der Szene, in der er offenbar eine Rolle spielte. Was, wenn dies alles nur eine Illusion ist? Was, wenn die mich umgebende Kulisse sich als bloße Nachbildung einer Realität erweist? Als substanzloses Modell einer solchen? Vielleicht war er gar nicht hier, saß überhaupt nicht in diesem Boot! Und - einmal offen gesprochen: ein Mutant namens Misfits? Ein Schleim absondernder Unterweltherrscher, gehüllt in violetten Glitzer?
„Es muss ein Traum sein.“, hörte Josh sich sagen.
Noch während er weiter seine Gedanken spann, setzte irgendwo in der Dunkelheit um sie herum das hallende Geräusch einer johlenden Mutantenhorde ein, die sich, ungeachtet seiner philosophischen Fragen, beim Glücksspiel vergnügte.
Sie umrundeten einen Wall aus aufragenden Felsobelisken und -säulen, näherten sich dem sagenumwobenen Casino der Mutanten, dessen weithin bogenförmiger Zugang unregelmäßig aus einer annähernd schwarz erscheinenden Felsklippe herausgearbeitet worden war. Warmes Licht drang von innen heraus auf den stillen, dunkel ausdünstenden See aus Abfall, fauligen Kadaverresten und Exkrementen, den sie überquerten. Knirschend fuhren sie auf einem Kiesstrand auf, und noch während sie saßen forderte Misfits Josh auf, ihm als nächstes zu folgen, und sich dabei nicht weiter als vielleicht einen knappen Meter von seiner Seite zu entfernen. Im Gegenlicht des Casinoeingangs beobachtete Josh, wie vor ihm erst der gehörnte Mutant und anschließend die beiden Ruderer, die - wie eineiige Zwillinge gleich aussahen und ohne erkennbare Mimik waren, an Land kletterten.
Misfits wartete am Strand bis Josh an den Ruderern vorbei zu ihm gelangt war.
Dann drehte er sich um und stapfte den leicht ansteigenden Kiesstrand hinauf.
Josh folgte ihm dicht auf.
Hinter ihnen traten die Ruderer zusammen. Einer der beiden trug das unstete Äffchen im Matrosenshirt auf seiner Schulter; sie beratschlagten sich in einer zutiefst unmenschlichen Sprache.
„Ich sage Nein, meine Freunde! Dieser Mann ist nicht nach meinem Geschmack. Er wird uns verraten, Freunde, wird uns verraten, wird uns verraten, wird uns verraten. So wahr ich - ich bin, Störtebeeker, Mutant der dritten und - wie man mutmaßt -vorerst letzten Mutantengeneration.“
Die beiden Ruderer schwiegen, zeigten keinerlei Reaktion, und alsbald trennte man sich. Störtebeeker sprang und hüpfte den Weg hinauf in Richtung des warmen Lichts und erreichte den Eingang des Casinos nur wenige Minuten nach Josh und Misfits. Schnell verlor er sich in der Masse der umherwandelnden Besucher des Casinos, allesamt Mutanten und Hybride der unterschiedlichsten Art.

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Aus: "Phase IV - Die Legende vom Bewahrer".

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Montag, 18. März 2024
Incarnation 3000 - A Weird Tale - (Erzählung/Weird) - V-I/Störtebeeker.
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Dort, so hatte Josh die Worte des gehörnten Unterweltherrschers verstanden, sollte ein Kreis aus zwölf Ratgebern und Freunden sie erwarten. Dieser Kreis war eine der Instanzen, die Josh auf dem Weg zu Dr. Monk hinter sich zu bringen noch bevorstand. Entschlossenen Schritts bewegte er sich durch die dunstige Nacht und fühlte dabei nur wenig von jenem vibrierenden, innerlichen Zittern, das ihm stets eine entscheidende Situation ankündigte.
Nach einer Weile Wegs gelangten sie zu einer unauffälligen, steil abfallenden Betontreppe, die, in einer schmalen Seitengasse gelegen, hinab unter die Fundamente der ältesten Häuser der Stadt führte: nasser, spiegelnder Glanz auf jeder ihrer Stufen. Die Wellblechtür am Ende der Treppe öffnete sich mit einem furiosen Kreischen. Sie war unverschlossen gewesen, sodass Misfits sie einfach mit grober Pranke am verbeulten Haltegriff gepackt und aufgezogen hatte. Der Raum hinter der Tür war hell erleuchtet. Kaltes, weißes Neonlicht aus einer illegalen, altmodischen Büroröhre ließ Joshs Haut fleckig werden. Der leere Raum endete an einer gegenüber gelegenen, grünen Stahltür, welche sich ebenfalls als unverschlossen erwies. Es folgte ein lang gezogener, leicht abschüssig verlaufender Gang, in dem jeder ihrer Schritte ein Echo nach sich zog, und so gelangten sie schließlich an den Rand eines unerkenntlich weiten unterirdischen Sees, dessen bräunlichen Fluten einen erbärmlichen Gestank ausströmten.
Wie schon in dem Gang, der sie hierher geführt hatte, war es, abgesehen von ein paar wenigen Pechfackeln, die in Halterungen entlang der Felswände hinter ihnen steckten, auch hier nahezu stockfinster.
Sie warteten, schweigend, bis, erst unwirklich und kaum wahrnehmbar, dann deutlicher, sie das flackernde Licht einer weiteren Fackel gewahrten, die, wie man, während die Erscheinung sich näherte, schnell erkennen konnte, ein offenbar nervöser Affe, der im im Bug eines hölzernen, alten Ruderbootes saß, emporstreckte. Der kleine Affe mit den spinstigen Gliedmaßen und den hektisch umherzuckenden Augen trug ein rot-weiß gestreiftes Matrosenshirt, seinen Kopf wurde verziert von einer altmodischen, weißen Kapitänsmütze samt Anker.
Sein Name lautete Störtebeeker, und er war gehörig stolz darauf, einer der wenigen Mutanten der dritten und, wie man annahm, letzten Mutantengeneration zu sein.
„Misfits? Seid ihr das?“, piepste der Affe. Seine Stimme lag in einem Frequenzbereich, der die Ohren schmerzen ließ.

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Aus: "Phase IV - Die Legende vom Bewahrer".

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Dienstag, 12. März 2024
Incarnation 3000 - A Weird Tale - (Erzählung/Weird) - IV-II/Der König der Tausend Qualen (Fortsetzung).
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„Na, naaaaa..., wer wird denn hier so einfach hereinplatzen ohne ein Wort der Begrüßung. Du lässt es an Respekt mangeln, Junge, wie? Zunächst: begrüße mich, bezeuge mir deine Ehrerbietung!“
Misfit‘s unnatürlich rote Zunge sonderte einen gelblichen Schleim ab, der - unbeachtet von ihm selbst - den Boden, das violette Jackett, sowie die nähere Umgebung besudelte. Josh brauchte einige Sekunden, um seinen Ekel vor dem Mutanten zu überwinden. Dann begrüßte er ihn, gebeugten Kopfs und mit in halberstickter Stimme.
„Seid gegrüßt, Misfits, König der Tausend Qualen, ehrwürdiger Herrscher dieses Teils der Stadt.“
„Jaa, jaaaa…, mein Freund, so mag ich es. Auch, wenn die von Dir benutzte Anrede in meiner Gegenwart nicht dem allgemein akzeptierten Sprachgebrauch entspricht: Wiederhole dein Anliegen!“
Gelb fluoreszierende, schleimige DNA-Ketten spritzten auf Josh‘s Overall. Er ignorierte es. „Ich suche einen Wissenschaftler namens Monk, Dr. Julius Monk, vor Jahren von der Zentraleinheit zum Tode verurteilt und seitdem verschwunden, untergetaucht in den dunklen Kanälen der Stadt. Man ließ mir vor zwei Tagen eine Nachricht zukommen. Darin hieß es, ich könne ihn treffen, heute hier.“
Josh saugte Befriedigung aus dem Gedanken, dass dieses Ding ihm gegenüber bald nicht mehr am Leben sein würde.
„Jaaaa, jaaaa…, mein Freund, nun, vielleicht ist das sogar möglich, heute hier. Vielleicht, vielleicht. Nur, sieh mal, es ist so, dass ich deine Chance darauf in meinen zarten Händen halte. Und! Es sieht des Weiteren so aus, als hättest du mich noch keinesfalls von deiner Loyalität zu mir und den Wesen des Untergrunds überzeugt. Nein, neeeeeeein…, jetzt mit einem Mal bin ich mir sogar ganz sicher diesbezüglich: Du wirst mich überzeugen müssen, Jungchen!“
Schleim, nichts als gelber Schleim, dessen unaufhörlichen Fluss der Mutant anscheinend generell nicht zu kontrollieren in der Lage war.
„Pass auf, ich sag dir was wir machen!“, spritzte es weiter gelb hervor. „Du begleitest mich für die nächsten Stunden durch die wunderschöne Nacht. Wir werden ein paar Freunde besuchen, ein paar Dinge erledigen. Danach wirst Du warten bis ich, und einige andere, eine Entscheidung in dieser Sache getroffen haben. Alright Cowboy?“
Josh blieb nichts anderes übrig - als einzuwilligen, die Sache erforderte eben so manches Opfer.
Er folgte dem schleimigen Koloss, hinaus auf den schmierigen Asphalt der Straße vor der Bar. Dichter Dunst, der aus den Kanälen drang, umhüllte sie. Über sich hörten sie das Zischen der Magnetbahn leise sich bemerkbar machen. An trübe-diesig glimmenden Straßenpyramiden entlang begaben sie sich in Richtung jener sagenumwobenen Spielhölle, die tief im Labyrinth der finsteren Seitengassen vergraben lag: das Casino der Mutanten.

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Aus: "Phase IV - Die Legende vom Bewahrer".

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Sonntag, 18. Februar 2024
Incarnation 3000 - A Weird Tale - (Erzählung/Weird) - IV-I/Der König der Tausend Qualen.
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Josh betrat die muffige Bar, tauchte ein in die gedämpfte Atmosphäre des verrauchten Raums. Lichtblitze schossen umher. Ab und zu tauchte eine der vielen, grell geschminkten Gestalten, die hier verkehrten, unmittelbar vor ihm auf, um sodann schnell an ihm vorbei zu ziehen, sich um ihn herum zu winden, und wieder im Halbdunkel zu verschwinden. Frauen in abgewetzten, zum Teil zerrissenen Kleidern räkelten sich auf schmierigen Polstern entlang der Wände der Bar. Schwüles Treiben ereignete sich in den Séparées, hinter halb zugezogenen Vorhängen aus Plüsch. Ein strenger Geruch war allgegenwärtig. Es roch nach Sperma, nach Urin, Synthetics, Kunstnebel und Schweiß.
Wie verabredet suchte Josh nach dem Barbesitzer. Er fand ihn, nachdem er den Barkeeper gefragt hatte, in einem kleinen, büroartigen Raum hinter der Theke. Der Mann, ganz offensichtlich ein Mutant der ersten Generation, lag in einem altmodischen Bürostuhl hinter einem von ausgefransten Papierhaufen bedeckten Schreibtisch. Seine in ornamentierte Cowboystiefel gezwängten Füße lagerten, Sohlen voran, mitten auf der Tischplatte. Er trug ein violett glitzerndes Jackett samt schwarzem Revers und hinter einer Wolke aus Zigarrenrauch - grinste er ein feistes Grinsen. Über sein Antlitz quer verlaufend, sorgte eine fleischige, wie noch nicht vollständig verheilte und entzündet aussehende Narbe für ein weiteres Highlight seiner Erscheinung. Die schaufelartige Hand, welche die gewaltige Zigarre hielt, war bestückt mit einer Unzahl schwerer Goldringe.
Zwei kurze Bockshörner krönten seinen Schädel.
Dieser Teil der Stadt kannte ihn unter dem Namen "Misfits". In diesem Teil der Stadt war er gefürchtet, aber auf gewisse Weise auch angesehen, ja beliebt. Misfits war in der Lage, alles zu besorgen, was des verlangenden Menschen Begehr sein konnte. Ausgefallenen Drogen bis hin zu virtuellen NeuroTrips stellten kein Problem dar; Sexuelle Begierden, Perversionen aller Art waren hier zu haben. Alles, was den Geruch der Illegalität und des Zerfalls in sich trug, war das Spezialgebiet dieses Mutanten, dem „König-Der-Tausend-Qualen“, wie seine Freunde, und auch seine Feinde ihn, heimlich, wenn sie alleine und unter sich waren, zu nennen beliebten.
Josh war aufs äußerste angespannt, seitdem er die Bar, und erst recht seitdem er Misfits‘ Büro betreten hatte.
„Wo ist der Wissenschaftler, den ich hier treffen soll?“

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Aus der Textsammlung - "Phase IV:Die Legende vom Bewahrer."

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Donnerstag, 15. Februar 2024
Incarnation 3000 - A Weird Tale - (Erzählung/Weird) - III/Wookie.
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„Man hat dich hierher bestellt, richtig?“
Der Wookie sprach - seiner Art gemäß - in einem sehr weichen und sanften, nahezu säuselnden Tonfall.
Der Waldläufer, der nun schon seit mehr als zwei Stunden gewartet hatte, traute seinen Augen nicht, noch seinen Ohren, als er begriff, wer ihn da angesprochen hatte. Wookies galten als eine der ganz großen Legenden des Dschungels, eine der Legenden, die seit ewiger Zeit an den Lagerfeuern überlebt hatten. Dort wurden sie meist beschrieben als teilweise aufrecht gehende, hundeähnliche Kreaturen, mit langem, goldbraunem Fell und lang zu beiden Seiten des Kopfs herabhängenden Ohren, deren Name sich aus dem Umstand herleitete, dass sie in ihrer Fortbewegungsweise etwas ganz und gar Aufsehenerregendes zu bieten hatten. Wookies verfolgten nämlich - trotz ihres hundeähnlichen Erscheinungsbildes - eine eher dem Hoppeln des herkömmlichen Dschungelkaninchens anverwandte, und, zudem von kurzen Luftsprüngen durchsetzte Gangart, wobei ein jeder ihrer Luftsprünge zuverlässig von einem stimmlich sanft in die Länge gezogenen, zärtlichen Wooookiiiiiiiiiiiieeee! begleitet wurde.
Der Wookie war, soweit des Waldläufers Wissen reichte, das einzige den Tieren zugeordnete Wesen des Dschungels, welches sich einer differenzierten, für Menschen verständlichen Sprache befleißigte. Als Haustier der Arookie, und unter ihrer Anleitung, so hieß es, hätten die Wookies die Fähigkeit zur menschlichen Sprache entwickelt, wobei sie aber stets nur mit den Arookie selbst in Konversation träten - und keinesfalls mit den weißen Menschen des Dschungels.
Als der Waldläufer, der das Wesen vor ihm nach wie vor ungläubig von unten herauf anstarrte, seine eigene, wesentlich rauere Stimme wiedergefunden hatte, setzte er dazu an, dem geduldig abwartenden, ihn versonnen mit schief gelegtem Kopf anlächelnden Wesen eine Antwort zu geben.
Ein schlichtes „Ja.“ war alles, was er zu Wege brachte.
Als der Wookie begriff, dass der Waldläufer nichts weiter mehr sagen würde, verbeugte er sich, ergriff erneut das Wort, und stellte sich vor.
Sein Name, so erfuhr der Waldläufer, lautete Aggrippa, und er behauptete, der Älteste eines nahe der Tempelruine gelegenen Wookiebaus zu sein, weshalb er dazu bestimmt worden wäre, ihn, den Waldläufer, eben jetzt und heute hier am vereinbarten Treffpunkt anzusprechen.
Der Waldläufer schluckte schwer und empfand eine leichte, schummrige Benommenheit. Der Hookie indes bemerkte es und ließ den Waldläufer wissen, dass diese leichte Benommenheit als etwas ganz Normales anzusehen sei, weil schließlich der sanfte, harmonische Klang einer Wookiestimme jeden Menschen, der ihr lauschte, an den Rand der Hypnose versetze, weshalb schließlich Wookies es auch achtsam vermieden, allzu lange mit einem Menschen zu reden, da ansonsten die Gefahr bestand, dass diese in einen zu tiefen Dämmerzustand abtauchten, aus dem sie mitunter nur mühselig wieder herauszuholen waren.
Dem Waldläufer fielen die Augen zu. Er schlief ein und träumte.

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Aus der Textsammlung - "Phase IV:Die Legende vom Bewahrer."

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Freitag, 19. Januar 2024
Incarnation 3000 - A Weird Tale - (Erzählung/Weird) - II/Josh.
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Josh, seines Zeichens Revolutionär, rutschte tiefer in den gepolsterten Schalensitz der Magnetschwebebahn, während er weiter mit seinen Augen die Gebäudefassaden der Stadt erkundete. Anthrazitfarbene Wohn- und Bürohäuser ragten schmal wie Obelisken in den dunstigen Himmel. Wenn man genau hinsah, dann konnte man weit oben das konkave Rund der gläsernen Kuppel erkennen, darin sich - von Zeit zu Zeit - die Lichtinseln der Stadt spiegelten.
Die Bahn passierte das große, muschelförmig entworfene Spielcasino.
Nirgendwo in den verwinkelten Straßen von Omega V erschien die Konzentration blinkender, strahlender Neonbeleuchtung so überwältigend wie hier. Seit vor Jahren der private Gebrauch elektrischen Lichts verboten worden war, zog es Nacht für Nacht zehntausende Bewohner der Stadt in den kalten Schein dieser Casinolichter. Auch an diesem Abend sah Josh die gigantische, wellenförmig wogende Menschenmenge, die sich vor dem Casino versammelt hatte. Dort - während man sich im Inneren des Casinos die Zeit mit belanglosen Spielen vertrieb - verharrten sie, die fahl wirkenden Gesichter emporgehoben in Richtung des Lichts, starr.
Den stechenden Geruch der Stadt nahm man, wie Josh wusste, nur außerhalb des Casinos wahr.
Omega V war erfüllt von einem ätzenden Geruch. Wohin man sich auch wandte, wohin man auch ging, es stank nach Müll, nach verrottendem Fleisch, Urin und Exkrementen. Gleichgültig, wo in der Stadt man sich befand, dieser Geruch war einem ein unentrinnbarer Begleiter. Josh hatte sich daran gewöhnt, so wie jeder der fünf Millionen Einwohner der Kuppel. Neuerdings - so hieß es - war man sogar darauf verfallen, diesen typischen Geruch besonders hervorzuheben, um ihn gewinnbringend in den Werbekampagnen der Touristikindustrie einzusetzen. In den anderen Kuppelstädten wurden, wie man hörte, visuelle Reklameslogans geschaltet, die zahlungskräftige Besucher zu einem Abenteuertrip nach Omega V verleiten sollten. Ein Bekannter aus Omega II hatte Josh auf einer Drogenparty davon berichtet.
„Kommen Sie und erleben Sie Omega V, die Stadt mit dem typischen Geruch des Abenteuers. Nähere Informationen unter 399-399-756221-0-V. Omega V - das Abenteuer IHRES Lebens!“ So, oder so ähnlich, lauteten die mit flachen Stimmen laut vorgetragenen Werbeslogans für "Die Stadt der tausend Gründe“, wie sie von ihren Einwohnern manchmal genannt wurde.
Die Magnetschwebebahn hatte das Casino hinter sich gelassen und glitt ruckend ihre Fahrt verlangsamend in eine plexi-gläserne Haltestation hinein.
Josh erwartete den endgültigen Stillstand, dann verließ er den Wagon und sah sich auf dem Bahnsteig um. Zu dieser späten Stunde hielten sich nur einzelne Menschen hier auf. Die Druckfahrstühle, die rasend schnell die Strecke hinab in die atemberaubenden Abgründe der Stadt bewältigten, zischten aggressiv und giftig. Eine der schwach leuchtenden Neonröhren unter dem schmalen Dach des Bahnsteigs war dabei, den Geist aufzugeben. Sie flackerte und gab dabei ein leise klingelndes Geräusch von sich.
Schließlich erlosch sie.
Josh sah erneut hinauf zu dem gläsernen Kuppeldach, das die Stadt überzog. „Armes altes Omega V!", flüsterte er traurig, "Vielleicht hast du den Tod nicht einmal verdient!“.
Dann wandte er sich um und ging entschlossenen Schrittes auf einen der Fahrstühle zu.

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Aus der Textsammlung - "Phase IV:Die Legende vom Bewahrer."

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