Sonntag, 7. Januar 2024
NERO.



Alexander Bätz, „Nero. Wahnsinn und Wirklichkeit.“, Rowohlt, 2023.

„Nero" entwickelt die Stärke eines großen phantastischen Romans. Vergleichbar mit G.R.R.Martin's „Song Of Ice And Fire" (vielleicht besser bekannt in der TV-Fassung als „Game Of Thrones") - historisches Intrigenspiel um Macht und Kaisertum, Familie, Thronfolger, Feindschaft, Hass und Liebe, Obsession und Wahnsinn, Sebstvergottung, Verrat und Mord, Kampf und Krieg - diesmal in Rom und der Weite seines imperialen Machtbereichs. Und - das ist das Allerbeste: historisch aus Quellen belegt, verlässlich. Welch ein Panorama! Großleinwand. Technicolor! Ein moderner Klassiker der erzählenden Geschichtswissenschaften in der Tradition Barbara Tuchmanns („A Distant Mirror "/1978 - dt. „Der Ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert").
Wissenschaftliche Historiker, die hohe erzählerische Kraft auch in der Schrift entwickeln, sind ein relativ seltenes Gut - und ein Glücksfall.

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Freitag, 22. Juli 2022
Braudel - Schriften zur Geschichte.
Fernand Braudel, französischer Historiker, und Protagonist der großen Wende der klassischen Geschichtswissenschaft, weg von der Priorisierung punktueller Ereignisse und/oder herausragender Persönlichkeiten (bis Anfang und sogar Mitte des 20. Jahrhunderts beherrschend), hin zur Betrachtung der Geschichte als einer extrem komplexen Verflechtung unzähliger Faktoren und Zusammenhänge. Vertikal (die Betrachtung langfristiger Entwicklungen entlang der Zeitachse) und horizontal (die Komplexität der Breitwandperspektive zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum).
Zugleich ein großer Vertreter interdisziplinärer Ansätze.

SCHRIFTEN ZUR GESCHICHTE, zwei Bände, Klett Cotta Hardcover, Erstausgabe, 1992.

Brillant!

Als verhinderter Historiker strebe ich schon lange mal eine übergeordnete Auseinandersetzung mit den Methoden, Problemen und wesentlichen Grundsatzdiskussion und -sichtweisen der Geschichtswissenschaft als Wissenschaftsdisziplin an.

Da ist Braudel natürlich so ziemlich die beste Wahl, die man treffen kann.

Der von ihm beschriebene Moment, in dem er als junger Mann das fatale Wesen der alten Geschichtsschreibung erfasst hat: in einer Nacht am Lagerfeuer im Wald, in der er sich irgendwann zwischen Schwärmen von Glühwürmchen wiederfand, alle aufleuchtend, verlöschend, aufleuchtend, ohne dabei aber die Umgebung zu erhellen. Das Festmachen der Geschichtsschreibung an herausstechenden Ereignissen und/oder Personen - gleicht den glühenden, kurz aufleuchtenden Lichtern, welche die Glühwürmer produzieren, Lichter, die das riesige Schwarz der Nacht um sich herum im Dunkeln lassen.

Ob es sich bei diesen Glühwürmchen eventuell auch um GlühWEINchen gehandelt haben, oder ob womöglich sogar andere Drogen irgendwelcher Art konsumiert worden sein könnten, ist nicht überliefert, und er selbst hat im Verlauf der Antrittsvorlesung zu seiner Professur nichts Dergleichen erwähnt.
Heißt: ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass die Glühwürmchen wirklich da waren, damals im Wald.

:-)

Mir ist das übrigens genau so auch passiert. Allerdings war meine Wenigkeit viel zu geflasht, um überhaupt was zu denken. Ich war da eher der Staunende mit dem offenen Mund.

Aber - zurück zu Braudel.

La Longue Durée, die lange Dauer, das war sein Schlachtruf, dem er sein Leben lang gefolgt ist und in dessen Namen er gearbeitet hat.
Und diese LANGE DAUER bezieht sich durchaus auf vielerlei Dinge. Zum Beispiel auch auf die Arbeit, die man als Historiker in seine Erzählung hineinsteckt. Braudel war tatsächlich so reflektiert, dass er zugeben konnte, dass sein Ansatz - horizontal - immense, quasi weltumspannende Forschungen zu einem Thema erfordert, und zusätzlich natürlich auch die zeitlichen Entwicklungen - vertikal - VOR UND NACH dem Zeitpunkt oder Zeitraum, den man darstellen will, beachtet werden muss.
Monströs viel Arbeit!
Was ihn dann aber auch nicht davon abhielt, die Methodik trotzdem exakt so einzufordern, wenn man denn seriös und anständig arbeiten will.

:-)

Folge: es gab erst einmal einen Riesenkrach unter den Geschichtswissenschaftlern, erst in Frankreich, dann überall.
Kein Wunder, denn Braudel war wirklich frech und unverschämt (bis hin zur Arroganz, vermute ich jetzt mal). Aber er hatte ja Recht.
Dieser Streit ruht. Aber er ist nicht geklärt. Natürlich ist die aufwendigere Methode die wissenschaftlichere, aber das heißt ja nicht, dass jede begrenztere Arbeit unbedingt schlecht sein muss. Natürlich kann man sich begrenzen.
Inzwischen wird beides anerkannt, denke ich, und es gibt hervorragende Beispiele für beide Methoden.

(In gewissem Maße) begrenzt:

Bart Van Loo - BURGUND/Das verschwundene Reich, 2019.

(Geradezu mustergültiger) Versuch nach Braudel und der neueren Schule:

Jürgen Osterhammel - DIE VERWANDLUNG DER WELT/Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, 2009.

Irgendwie erinnert mich der Streit an die wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzungen zu Induktion und Deduktion.
Mit denselben Problemen und Nachteilen beider Positionen.

Induktion (Braudel) führt nie zu einem natürlichen Ende, zumindest nicht in einer dermaßen komplexen Gemengelage wie im Falle der Geschichtsforschung. Es könnte ja immer noch einen weiteren Einfluss geben, an den man nicht gedacht hat.
Man MUSS also irgendwo, an irgendeiner Stelle abbrechen und die Sache für beendet ERKLÄREN.

Deduktion (klassisch) ist von vorneherein begrenzt, weil sie mit einem vorgefertigten, theoretischen Konstrukt an die - an sich - chaotische Masse der Daten herangeht und sie deduktiv formt.

Eine Perspektive, die - meiner Meinung nach - vielleicht tatsächlich ein bisschen aus dem explizit historischen Feld herausgerutscht ist, das ist die einzig auf einzelne Personen fixierte Perspektive.
Der Graubereich zur Biographie.
Eine gute Biographie liefert zwar immer auch ein zeitgeschichtliches Bild, allerdings stellt sich dieses Bild dann meist doch eher wissenschaftlich vernachlässigt dar.

Wie dem auch sei, die ganze Thematik birgt offensichtlich ein Grundproblem der historischen Wissenschaften.

Ich würde es ein PROBLEM DES ERFASSUNGSRAUMES nennen.

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Freitag, 15. Oktober 2021
Bart Van Loo
Burgund - Das verschwundene Reich



C.H. Beck 2020

Eines der besten Werke der Geschichtserzählung, die mir in all den Jahren und Jahrzehnten, in denen ich historische Darstellungen lese, untergekommen ist. Bart Van Loo, von dem es auf Deutsch bisher, warum auch immer, leider nur dieses eine Buch gibt (er hat unter anderem bereits eine dreibändige Kulturgeschichte Frankreichs, sowie eine Napoleon-Biographie verfasst), ist sogar nahe daran, meinen Lieblingshistoriker Georges Duby zu verdrängen. Und das will etwas heißen!
Was Van Loo auszeichnet, ist sein Stil der Darstellung. Ihm gelingt das außergewöhnliche Kunststück, seine Erzählung in einem geradezu göttlichen, lakonisch-humorvollen, manchmal gar ironischen Tonfall zu gestalten, und dabei trotzdem seriös, historisch fundiert und wissenschaftlich zu bleiben. Großartig. Dieser Tonfall, dieser flüssig-leichte Stil, der exakt den schmalen Grat zwischen ernsthafter, historischer Wissenschaft und Unterhaltung trifft, sorgt für ein unvergleichlich amüsantes Leseerlebnis, eine spannende, lehrreiche, informative Reise durch die Jahrhunderte, die Wirren der Geschichte und die Historie Burgunds.

Ein hundertprozentiger Tipp für alle Freunde der Historienerzählung.

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Sonntag, 18. April 2021
Geradezu...
... großartige und geniale Darstellung des napoleonischen Russlandfeldzuges von 1812.

https://youtu.be/byH2WhzXjcQ

Epic History TV

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Freitag, 12. Februar 2021
„Geheimnisse...
... des Kaisers - Wilhelm II“

https://youtu.be/p2JOdSrnSRY

Dokumentation, 1987, nebst Kommentar.

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