Montag, 7. Februar 2022
Wie
- angekündigt: die anderen Filme von Denis Villeneuve.

Blade Runner 2049
USA 2017

Regie: Denis Villeneuve




Nun ja, gut.
Allerdings für mich persönlich nicht so überzeugend wie DUNE/2021.
Gründe: vor allem Ryan Gosslin, der sich dieser Rolle 2017 nicht gewachsen zeigte. War ne Nummer zu groß für ihn (oder er hat die Rolle nicht wirklich verstanden bzw. verinnerlicht, oder auch einfach nur falsch angelegt). Was natürlich spätestens am Ende, im direkten Vergleich mit Harrison Ford, dem Blade Runner des Originals von Ridley Scott/1982, geradezu krass auffällt. Natürlich musste ein Unterschied zu den früheren Androidengenerationen her, die ja, nach den Ereignissen in Blade Runner, gezüchtigt, beschränkt und gedämpft wurden. Diesen Unterschied aber als eine Art Terminator zu manifestieren, ist eine rückwärts gewandte Methode, keine innovative, wie sie ein Blade-Runner-Update verdient gehabt hätte.
Und wenn man dann noch bedenkt bzw. erinnert, in welch unglaublich feiner Nuancierung Sean Young 1982, in ihrer durch und durch androidischen Performance als Rachael (Bild folgt), Gefühle hat durchschimmern lassen, dann versetzt das dem groben Auftritt Ryan Gosslins noch einmal zusätzlich einen Schlag ins Kontor.


Sean Young - Blade Runner/1982

Aber es gibt noch eine weitere große Schwäche des Films (auch im Vergleich zu DUNE/2021).
Das elegische Erzähltempo, das mitunter minutenlang in einer Szene verharrt, ist darauf angewiesen, dass die Kamera, und natürlich auch das Schauspielerische, eine Rechtfertigung dafür liefern. Das ist in DUNE/2021 durchweg und ausnahmslos der Fall, gelingt in Blade Runner 2049 aber nicht immer. Und wenn dann eine solche Szene nicht funktioniert, dann gerät die übergroße zeitliche Ausdehnung eben auch schnell mal zur Geduldsprobe, sprich: es kann langweilig werden.
So weit zu den offensichtlichen Schwächen.

*

Ein starker Film ist Blade Runner 2049 aber dennoch. Die Kritik bewegt sich hier auf ziemlich hohem Niveau, obwohl diese Arbeit von Villeneuve, auch wenn es von manchen inzwischen so gesehen wird, meiner Meinung nach noch kein Meisterwerk ist, sondern lediglich ein weiterer Entwicklungsschritt im Hinblick auf die außergewöhnliche Bildsprache, die er da vor unseren Augen zu entfalten sucht.
Zunächst einmal ist Blade Runner 2049 eine der besten und gelungensten, mir bekannten Fortsetzungen eines Klassikers überhaupt. In jeglicher Hinsicht - bildlich, thematisch-inhaltlich, geschichtlich - tiefgründig verwoben mit dem legendären Original aus dem Jahr 1982.
Das kam man kaum besser machen.
Besonders beeindruckt diesbezüglich auch die Tatsache, dass sogar - absolut identisch - der strukturelle und dramatische Aufbau des Originals verwendet wird, ohne dass dieser Umstand einen Eindruck platten Epigonentums erweckt. Wie Blade Runner/1982 nutzt nämlich auch Blade Runner 2049 den geradezu behäbigen, gleichförmig ruhigen und langwierigen Aufbau, dessen dadurch aufgestautes Potential sich am Ende kontradiktorisch in großer, plötzlich einsetzender, lang anhaltender, Dramatik entlädt.
Überzeugend im Vergleich zum ersten Film auch die Umsetzung der thematischen Nuancen. Das Hauptthema, die Frage nach dem Unterschied zwischen künstlicher Lebensform und Mensch (eines der zentralen Themen des Autors, dem wir das alles zu verdanken haben: Philip K. Dick, DO ANDROIDS DREAM OF ELECTRIC SHEEP? - 1968), bleibt erhalten, verschiebt sich aber da, wo Blade Runner/1982 eher die Grundsatzfrage stellt und auf Gefühle rekurriert, fast unmerklich auf die Frage nach der Art, dem Wesen und der Funktion, von Erinnerung.
Sehr beeindruckend, und ungebrochen intellektuell.

***


Philip K. Dick, Horselover Fat, 1982

Kurz vor seinem, leider viel zu frühen, Tod.

Ich muss mal eine gesonderte Würdigung dieses großen Autors formulieren. Ein Mann, dessen psychische Stärke es ihm erlaubte, selbst die brutalsten Psychosen vom Rand des fassbaren Universums noch in greifbare Forschungsergebnisse und literarische Ausarbeitung münden zu lassen.
Wir verdanken ihm unsere gesamte Aktualität und die komplette postfuturistische Moderne, wie wir sie heute erleben.

***

Konklusion.

Villeneuves Bildsprache und sein Stil sind inzwischen bereits dermaßen eigenständig und gefestigt, und dabei trotzdem so offen, dass er sie variieren kann, ohne ihre Einheitlichkeit zu gefährden. DUNE/2021 ist geprägt von Gigantismus, von Weltraumtechnologie, postmoderner Kälte, Wahnsinn und Verlorenheit, in Blade Runner 2049 dagegen zeigt uns Villeneuves Stil eine stark surrealistische, hin und wieder gar psychedelische Seite. Speziell der Gang durch das verwüstete Los Angeles, das 2049 offiziell als Müllhalde dient, wirkt großartig, ist genialistisch, ist wahrhafte Kunst. Eine in sich bewegliche, surreale Installation, ein Wachtraum in schmutzigem Gelb.
Ja, das ist wirklich, wirklich gut, und man darf äußerst gespannt sein, in welcher Art von Film Villeneuves Experiment letztlich enden wird.
Vor allem bin ich gespannt, was passiert, wenn er sich irgendwann von der bloßen Neuinterpretation klassischer SF - und ihrer Motive - zu einer vollkommen freien, unabhängigen Verfilmung erhebt. Das dürfte dann ja ein geradezu fulminantes, sehr experimentelles und intellektuelles Filmrätsel werden, ein später David Lynch, eine Art MULHOLLAND DRIVE (2001) des explizit Phantastischen oder - speziell auf die SF bezogen - eine Art ODYSEE IM WELTRAUM (Kubrick, 1969) für das 21. Jahrhunderts.

Oder eine Mischung aus beiden.

Die reine Visualität - um der Visualität Willen.

Na ja, wie auch immer, schauen wir mal.

Nächste Station: ARRIVAL (2016) - eine Auseinandersetzung mit dem klassischen Thema des Erstkontakts.

Blade Runner 2049: 89 %.