Donnerstag, 15. Februar 2024
Incarnation 3000 - A Weird Tale - (Erzählung/Weird) - III/Wookie.
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„Man hat dich hierher bestellt, richtig?“
Der Wookie sprach - seiner Art gemäß - in einem sehr weichen und sanften, nahezu säuselnden Tonfall.
Der Waldläufer, der nun schon seit mehr als zwei Stunden gewartet hatte, traute seinen Augen nicht, noch seinen Ohren, als er begriff, wer ihn da angesprochen hatte. Wookies galten als eine der ganz großen Legenden des Dschungels, eine der Legenden, die seit ewiger Zeit an den Lagerfeuern überlebt hatten. Dort wurden sie meist beschrieben als teilweise aufrecht gehende, hundeähnliche Kreaturen, mit langem, goldbraunem Fell und lang zu beiden Seiten des Kopfs herabhängenden Ohren, deren Name sich aus dem Umstand herleitete, dass sie in ihrer Fortbewegungsweise etwas ganz und gar Aufsehenerregendes zu bieten hatten. Wookies verfolgten nämlich - trotz ihres hundeähnlichen Erscheinungsbildes - eine eher dem Hoppeln des herkömmlichen Dschungelkaninchens anverwandte, und, zudem von kurzen Luftsprüngen durchsetzte Gangart, wobei ein jeder ihrer Luftsprünge zuverlässig von einem stimmlich sanft in die Länge gezogenen, zärtlichen Wooookiiiiiiiiiiiieeee! begleitet wurde.
Der Wookie war, soweit des Waldläufers Wissen reichte, das einzige den Tieren zugeordnete Wesen des Dschungels, welches sich einer differenzierten, für Menschen verständlichen Sprache befleißigte. Als Haustier der Arookie, und unter ihrer Anleitung, so hieß es, hätten die Wookies die Fähigkeit zur menschlichen Sprache entwickelt, wobei sie aber stets nur mit den Arookie selbst in Konversation träten - und keinesfalls mit den weißen Menschen des Dschungels.
Als der Waldläufer, der das Wesen vor ihm nach wie vor ungläubig von unten herauf anstarrte, seine eigene, wesentlich rauere Stimme wiedergefunden hatte, setzte er dazu an, dem geduldig abwartenden, ihn versonnen mit schief gelegtem Kopf anlächelnden Wesen eine Antwort zu geben.
Ein schlichtes „Ja.“ war alles, was er zu Wege brachte.
Als der Wookie begriff, dass der Waldläufer nichts weiter mehr sagen würde, verbeugte er sich, ergriff erneut das Wort, und stellte sich vor.
Sein Name, so erfuhr der Waldläufer, lautete Aggrippa, und er behauptete, der Älteste eines nahe der Tempelruine gelegenen Wookiebaus zu sein, weshalb er dazu bestimmt worden wäre, ihn, den Waldläufer, eben jetzt und heute hier am vereinbarten Treffpunkt anzusprechen.
Der Waldläufer schluckte schwer und empfand eine leichte, schummrige Benommenheit. Der Hookie indes bemerkte es und ließ den Waldläufer wissen, dass diese leichte Benommenheit als etwas ganz Normales anzusehen sei, weil schließlich der sanfte, harmonische Klang einer Wookiestimme jeden Menschen, der ihr lauschte, an den Rand der Hypnose versetze, weshalb schließlich Wookies es auch achtsam vermieden, allzu lange mit einem Menschen zu reden, da ansonsten die Gefahr bestand, dass diese in einen zu tiefen Dämmerzustand abtauchten, aus dem sie mitunter nur mühselig wieder herauszuholen waren.
Dem Waldläufer fielen die Augen zu. Er schlief ein und träumte.

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Aus der Textsammlung - "Phase IV:Die Legende vom Bewahrer."

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Montag, 12. Februar 2024
Sky:a.


(02/24)

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Freitag, 19. Januar 2024
Incarnation 3000 - A Weird Tale - (Erzählung/Weird) - II/Josh.
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Josh, seines Zeichens Revolutionär, rutschte tiefer in den gepolsterten Schalensitz der Magnetschwebebahn, während er weiter mit seinen Augen die Gebäudefassaden der Stadt erkundete. Anthrazitfarbene Wohn- und Bürohäuser ragten schmal wie Obelisken in den dunstigen Himmel. Wenn man genau hinsah, dann konnte man weit oben das konkave Rund der gläsernen Kuppel erkennen, darin sich - von Zeit zu Zeit - die Lichtinseln der Stadt spiegelten.
Die Bahn passierte das große, muschelförmig entworfene Spielcasino.
Nirgendwo in den verwinkelten Straßen von Omega V erschien die Konzentration blinkender, strahlender Neonbeleuchtung so überwältigend wie hier. Seit vor Jahren der private Gebrauch elektrischen Lichts verboten worden war, zog es Nacht für Nacht zehntausende Bewohner der Stadt in den kalten Schein dieser Casinolichter. Auch an diesem Abend sah Josh die gigantische, wellenförmig wogende Menschenmenge, die sich vor dem Casino versammelt hatte. Dort - während man sich im Inneren des Casinos die Zeit mit belanglosen Spielen vertrieb - verharrten sie, die fahl wirkenden Gesichter emporgehoben in Richtung des Lichts, starr.
Den stechenden Geruch der Stadt nahm man, wie Josh wusste, nur außerhalb des Casinos wahr.
Omega V war erfüllt von einem ätzenden Geruch. Wohin man sich auch wandte, wohin man auch ging, es stank nach Müll, nach verrottendem Fleisch, Urin und Exkrementen. Gleichgültig, wo in der Stadt man sich befand, dieser Geruch war einem ein unentrinnbarer Begleiter. Josh hatte sich daran gewöhnt, so wie jeder der fünf Millionen Einwohner der Kuppel. Neuerdings - so hieß es - war man sogar darauf verfallen, diesen typischen Geruch besonders hervorzuheben, um ihn gewinnbringend in den Werbekampagnen der Touristikindustrie einzusetzen. In den anderen Kuppelstädten wurden, wie man hörte, visuelle Reklameslogans geschaltet, die zahlungskräftige Besucher zu einem Abenteuertrip nach Omega V verleiten sollten. Ein Bekannter aus Omega II hatte Josh auf einer Drogenparty davon berichtet.
„Kommen Sie und erleben Sie Omega V, die Stadt mit dem typischen Geruch des Abenteuers. Nähere Informationen unter 399-399-756221-0-V. Omega V - das Abenteuer IHRES Lebens!“ So, oder so ähnlich, lauteten die mit flachen Stimmen laut vorgetragenen Werbeslogans für "Die Stadt der tausend Gründe“, wie sie von ihren Einwohnern manchmal genannt wurde.
Die Magnetschwebebahn hatte das Casino hinter sich gelassen und glitt ruckend ihre Fahrt verlangsamend in eine plexi-gläserne Haltestation hinein.
Josh erwartete den endgültigen Stillstand, dann verließ er den Wagon und sah sich auf dem Bahnsteig um. Zu dieser späten Stunde hielten sich nur einzelne Menschen hier auf. Die Druckfahrstühle, die rasend schnell die Strecke hinab in die atemberaubenden Abgründe der Stadt bewältigten, zischten aggressiv und giftig. Eine der schwach leuchtenden Neonröhren unter dem schmalen Dach des Bahnsteigs war dabei, den Geist aufzugeben. Sie flackerte und gab dabei ein leise klingelndes Geräusch von sich.
Schließlich erlosch sie.
Josh sah erneut hinauf zu dem gläsernen Kuppeldach, das die Stadt überzog. „Armes altes Omega V!", flüsterte er traurig, "Vielleicht hast du den Tod nicht einmal verdient!“.
Dann wandte er sich um und ging entschlossenen Schrittes auf einen der Fahrstühle zu.

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Aus der Textsammlung - "Phase IV:Die Legende vom Bewahrer."

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Mittwoch, 17. Januar 2024
Incarnation 3000 - A Weird Tale - (Erzählung/Weird) - I/Der Waldläufer.
(i).

Base.

Sein erfahrungsgeschulter Blick, der Blick eines Waldläufers, stach voraus über die zäh fließenden Wassermassen des Flusses. Es war noch früh am Morgen, und die Natur schien noch in tiefem Schlummer zu liegen. Selbst die sonst so allgegenwärtigen Schreie der bunt schillernden Riesenaras waren noch nicht zu hören gewesen, ebenso wenig wie das Gebrüll der gewaltigen Tigerechse, des gefährlichsten Raubtiers in diesem Teil des Dschungels.
Ein Hauch kühler Luft strich über sein Gesicht, gut, dass er seine alte Fellmütze mitgenommen hatte auf diese Fahrt.
Immer noch fragte er sich, was das Ganze überhaupt zu bedeuten hatte. Warum war er von dem Fremden, der ihn gestern in seinem Lager aufgestöbert hatte, über den Zweck der Fahrt im Unklaren gelassen worden?
Gegen Abend des gestrigen Tages war der Fremde plötzlich aufgetaucht und hatte sich zu ihm ans Feuer gesetzt. Nach Sitte der Waldläufer war es unumgänglich gewesen, ihm Gastfreundschaft zu gewähren, einen Platz zum Schlafen für die Nacht und eine warme Mahlzeit.
Der Fremde hatte nicht viel gesprochen in den ersten Stunden seiner Anwesenheit. Nach dem Essen jedoch, als sie gemeinsam eine Pfeife würzigen Naturtabaks rauchten, begann er zu erzählen. Sein Gesicht war dabei nur undeutlich im flackernden Schein des Lagerfeuers zu erkennen gewesen
Er erzählte von seinen Reisen entlang des Flusses, von den seltsamen Wesen, die er getroffen hatte, und von den befremdlichen Sitten und Gebräuchen der Arookie, jenes mysteriösen Volks, das die Dschungelregionen nahe des Flussufers bevölkerte, und dieses Gebiet als seine angestammte Heimat ansah.
Auch der Waldläufer kannte die Arookie.
Von Zeit zu Zeit gewahrte er Schatten hinter massigen Bäumen, wenn er, auf schmalen Pfaden, die er zum Teil selbst geschlagen hatte, durch die Tiefen des Dschungels streifte. Gelegentlich zeigte sich ein wild bemaltes Gesicht, starrte von einem hoch gelegenen Baumwipfel stumm auf ihn hinab, ausdruckslos, fremd, und verschwand dann genauso schnell und plötzlich wie es erschienen war. Noch nie hatte der Waldläufer die Chance gehabt, einen der geheimnisvollen Ureinwohner näher in Augenschein zu nehmen, noch nie war es ihm gelungen, Kontakt aufzunehmen. Zu scheu war dieses Volk, zu unheimlich erschienen ihm offenbar die weißen Menschen, mitsamt ihren Werkzeugen, Maschinen und Gegenständen, die sie zur Erzeugung seltsamer und potentiell tödlicher Zauber einsetzten.
Als das Feuer niedergebrannt war und die Schlafenszeit näher rückte, hatte der Fremde den Waldläufer für einen kurzen Moment eindringlich angesehen und nach der Möglichkeit eines Gefallens gefragt, den dieser ihm erweisen könne. Der Waldläufer hatte sich nach der Art des Gefallens erkundigt und daraufhin die Bitte erfahren, am nächsten Tag flussabwärts zu fahren, um an einer bestimmten Stelle, etwa zehn Meilen von ihrem gegenwärtigen Aufenthaltsort entfernt, auf ihn zu warten.
Mehr könne er nicht sagen, mehr dürfe und wolle er nicht sagen, hatte der Fremde behauptet.
Der Waldläufer war sehr verwundert gewesen, aber als ihm noch einmal versichert worden war, dass kein Grund zur Sorge bestand, hatte er schließlich zugesagt. Er erinnerte sich noch genau an die letzten Worte des seltsamen Besuchers: „Machen Sie sich keine Sorgen. Ich bin ein aufrichtiger Mann. Meine Motive sind von ehrlicher Natur. Es ist wirklich keine große Sache, vollkommen ungefährlich und selbstverständlich - absolut legal. Lassen sie sich nicht von meiner Geheimniskrämerei erschrecken. Es tut mir selbst ein wenig Leid, da ich ansonsten die Offenheit stets vorziehe, aber das alles dient ausschließlich der Sicherheit. Schlafen sie gut, und seien Sie nochmals bedankt. Ich werde Sie jetzt verlassen, wir sehen uns morgen, eine Stunde nach Sonnenaufgang an der großen Flussbiegung unterhalb des alten Steintempels.“
Mit diesen Worten war der Fremde verschwunden. Blitzschnell war er in das nahe Dickicht des Waldes eingetaucht und mit dem unendlichen Grün des Dschungels verschmolzen.
Der Waldläufer hatte sich zur Ruhe begeben, hatte sich vor seiner Hütte ausgestreckt und bevor er in tiefe Träume versank noch das letzte Aufflackern des sterbenden Feuers genossen.
Noch etwa zwei Meilen bis zur großen Flussbiegung.
Hier in dieser Region war die Zivilisation noch weitestgehend ohne Einfluss. Alles war Natur, urwüchsig, manchmal beängstigend, stark und zeitlos. Die nächste Handelsstation befand sich ein gutes Stück den Fluss hinab, beinahe ganz an dessen Ende, dort wo er sich verzweigte, um, in drei Arme geteilt, noch etwas weiter unten ins große Meer zu münden. Dog Town lag dort unten, angefüllt mit verwahrlosten Glücksrittern, Spielern, Goldsuchern, windigen Typen und Möchtegern-Entdeckern. Den Waldläufer zog es selten dorthin.
Dort erschien die Flussbiegung.
Der Waldläufer verlangsamte sein Boot und steuerte es auf das linke Ufer zu. Ein alter und verwitterter Steinbau, eine der rätselhaften Tempelruinen unbekannter Herkunft, wie sie im gesamten Flussgebiet an den unterschiedlichsten Orten verteilt lagen, markierte die Stelle, an der der Fremde sich mit ihm verabredet hatte. In Stein gearbeitete Masken mit kreisrund geöffneten Mündern und ebenso kreisrund, weit aufgerissenen Augen starrten ihn an, als der Waldläufer das sorgfältig verankerte Boot verließ, um durch das flache Wasser der Uferregion an Land zu waten. Dort angekommen ließ er sich auf einem Stein nieder und wartete auf den Fremden. Gelegentlich sah er, um sich zeitliche Orientierung zu verschaffen, hinauf zur Sonne. Noch etwa eine halbe Stunde bis zum vereinbarten Zeitpunkt.

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Aus der Textsammlung - "Phase IV:Die Legende vom Bewahrer".

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