Mittwoch, 1. Juni 2022
Nietzsche.
- der Große, der Berg, die schroffe, Sturm überzogene Steilwand unter all den Philosophen, Esoterikern und Wahrheitssuchern.
Kaum ist ein größerer geistiger Versuch denkbar.

Wer Nietzsche nicht ehrt, der lebt verkehrt!

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Mittwoch, 1. Juni 2022
Phil Dick.
Study for Philip K. Dick

https://youtu.be/MYmJFdzPwLc

***

Es existiert kein Ausweg aus diesem Labyrinth, denn es verändert sich, während du deinen Weg hindurch suchst. Es verändert sich, weil es etwas Lebendiges ist.

Philip K. Dick - VALIS

Wahrscheinlich die paranoideste Aussage, die man treffen kann.

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UNBERÜHRT/Expression I.
Aus Psyche & Phantastik, Band 1


Der alte Asiate saß stumm.
Sein fadendünnes Haar, lang und grau, ragte, gleich Brückenseilen, die im Nebel verschwinden, vom Wind getragen, horizontal ins Leere. Abenteurer überqueren solche Brücken, die, von maroden Stricken gehalten, über verwilderte Abgründe führen. Solange bis sie unter irgendeiner Last reißen und das Holz der Brückenplanken unwiederbringlich in die Tiefe stürzt. Lederne Hüte, abgewetzt und abgetragen - Abenteurerhüte und Peitschen.
Soweit man blicken konnte umgaben stufenartig angelegte Gärten die Terrasse, auf der wir saßen und uns anschwiegen. Eine schwere, alles erdrückende Schwüle lag in der Luft, hier im Süden Tabogas gab es keine Jahreszeiten, keine nächtliche Abkühlung, keine noch so geringe klimatische Veränderung der Lebensbedingungen. Dies war nicht Europa, nein, es war nicht einmal mehr die Erde.
Ich werde Ihnen davon erzählen, wie es mich hierher verschlagen hat, alleine und - bisher - ohne eine Möglichkeit der Rückkehr.
Träume von Raumschiffen, gigantischen Sternenkreuzern, tonlos blinkend inmitten der unendlichen, luftlosen Schwärze des Alls, erfüllen meine Nächte, rauben mir den Schlaf, einen Schlaf, der in diesem Klima so oder so nichts wert ist.
Ein fremdartiges Insekt beginnt uns zu umschwirren. Inzwischen weiß ich, dass diese gefährlich anmutenden Wesen harmlos sind, weil sie ihr tödliches Gift, das sie durch einen langen Stachel injizieren, ausschließlich gegen die bevorzugte Beute, den tabogischen Fleischwurm zum Einsatz bringen. Dennoch bleibt es irritierend, die faustgroßen Kreaturen in unmittelbarer Nähe zu wissen. Vom lauten, enervierenden Summen, das sie erzeugen, ganz zu schweigen.
Seit nunmehr zehn Tagen warte ich darauf, dass der Asiate mit mir spricht. Er ist das einzige menschliche Wesen, dem ich in dieser Welt bisher begegnet bin. Ich erhoffe mir genauere, über meine eigenen Mutmaßungen hinausgehende, Informationen darüber, wo genau ich mich befinde und wie ich vielleicht nach Hause zurückkehren kann.
Das widerwärtige Insekt verflüchtigt sich, schwirrt träge durch einen der glaslosen, gotischen Fensterbögen hinaus in die erdrückende Schwüle des Nachmittags. Affenartige Diener kommen und gehen. Manche sehen nach dem Rechten, andere bringen Tee und platzieren silbern ziselierte Tassen und Kannen auf dem Tisch.
Doch ich will mein Versprechen halten und davon erzählen, wie ich hierher gelangt bin, in diese Hölle, diese befremdliche Ausweglosigkeit meiner Existenz.

(***)

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Montag, 30. Mai 2022
Tagebücher und Notizen.
Aus Bemerkungen 1 - Metaphysik und Manie (November 2002 bis Juli 2003).


4. November 2002

Zum Fatum des Geistes

Das menschliche Bewusstsein, der menschliche Geist, könnte, obwohl dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht - oder besser nicht mehr - unbedingt meiner Ansicht entspricht, das ursprünglich vorrangige Fatum sein. Die Evolution unseres Denkens, unsere fortschreitende Selbstreflexion (von fortschreitender Selbsterkenntnis traue ich mich kaum zu sprechen), all unsere Wissenschaft, unsere Kultur, könnten zwingend notwendig zu durchlaufende Stadien der sich planvoll vollziehenden Prozesse eines Gesamtsystems oder -entwurfs sein.
Wobei sich jedoch unmittelbar die Frage der Teleologie stellt. Unsere geistige Entwicklung könnte als das ursprüngliche Fatum gesetzt worden sein, um etwas zu erreichen, um ein Ziel zu verwirklichen.
Hier nun setzt grobe Spekulation ein: wer oder was ist dafür verantwortlich? Worin besteht das Ziel? Warum das Ganze?
Wir können unter teleologischen Gesichtspunkten nur schwer ohne eine unbekannte, übergeordnete Intelligenz, ohne eine kontrollierende, arrangierende Entität auskommen, die dieses Ziel, samt dem prozessualen System, das zu seiner Erlangung führt, erschaffen hat. Ein teleologischer Ansatz muss in der Regel eine übergeordnete, womöglich gottähnliche Instanz in seine Überlegungen miteinbeziehen, oder läuft zumindest Gefahr, in derartige Denkschienen hinein zu geraten. Die Spekulationen werden dann sehr schnell sehr phantastisch, werden womöglich sehr interessant, bleiben aber am Ende doch zu nichts nutze, wenn es, wie ich es für dringendst angeraten halte, um eine nüchterne Erfassung der Realität geht.
Eine höhere Instanz, eventuell Gott, nachzuweisen, scheint unmöglich.

(...)

***

Natürlich hab ich auch immer recht fleißig Notizen und Tagebücher geführt.

Heute eher nicht mehr, weil ich jetzt das ganze angesammelte Material bearbeiten und in Form bringen muss, aber in den ersten 25 Jahren schon.

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Sonntag, 29. Mai 2022
Die Umkehrung.
Was - bedeutet es, die Dinge umzukehren?

Was ist diese unumgängliche Station auf dem Weg - genau?

Nietzsche's "Umwertung aller Werte", Lévi's okkultes Geheimnis.

Im Grunde eine Prüfung, die bestanden werden muss. Der ewige Ausgleich fordert exakt den Rückschlag, der, von seiner Intensität her, jener zuvor in entgegengesetzter Richtung aufgewandten Energie entspricht.
Das ist nicht schwierig.
Die eigentlich Prüfung liegt in der Notwendigkeit, den ins Gegenteil verkehrten Schub, besonders im Gegenstand seiner Zielführung, also seiner semantischen Manifestation, nach wie vor, auch aus der neuen, umgekehrten Perspektive, als VOLLKOMMEN gleichwertig zu verstehen.
Und damit eben NICHT - ein semantisches Negativ mit entsprechend negativer, ethischer Wertung zu schaffen, NICHT weiterhin, unter bloßer Vertauschung der Vorzeichen, in der Dualität zu verbleiben, sondern die Einheit zu gewinnen.

Der letzte Schritt, den Nietzsche, meines Wissens, nie gegangen ist, und wahrscheinlich nie erwogen hat, weil er vollständig außerhalb seiner Denkkategorien lag.

Bis zum letzten Atemzug, bzw. bis zu dem Moment, in dem ihm das Gehirn weggeplatzt ist, dual, der Mann.

Dionysos gegen den Gekreuzigten. Oder vielleicht besser: Der Gekreuzigte gegen Dionysos?

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