Sonntag, 8. August 2021
Drei Väter
Sigmund Freud

Unverzichtbar, was die Prägungen der Kindheit, vor allem durch die Mutterbeziehung bzw. -rolle und, im Vergleich dazu beiläufig, die Vaterfigur, den Zugang zu verdrängten Inhalten, oder auch die grundlegende Struktur des ICH-ES-ÜBERICH angeht.
Außerdem natürlich als höchsten Inventor der Tiefenpsychologie nahezu bedingungslos zu würdigen.
Dumm nur die Sache mit der bizarren Überbetonung des Sexualtriebs (da hat ihm wohl das Kokain einen Streich gespielt), der quasi in den leeren Raum hinein konstruierten Übertreibung der Prägung im frühen Säuglingsalter, der halsstarrigen, trotzigen Ablehnung anderer psychologischer Prozesse, die nicht auf seinem eigenen Mist gewachsen waren, und - last but not least - dem letztlich doch sehr zweifelhaften Versuch der Etablierung eines Todestriebs.

Eigentlich hat er immer übertrieben, der schöne Sigismund, so gut, richtig, neu und genial die Grundidee teilweise auch war.

Freud war eben Pessimist. Sein Menschenbild war - und ist -, noch harmlos ausgedrückt, ein absolut hoffnungsloses, nicht im Geringsten schmeichelhaftes. Gute Eigenschaften konnte er, warum auch immer, nur sehr schwer bzw. überhaupt nicht stehenlassen.

:-)


Alfred Adler

Inventor des extrem wichtigen, tiefenpsychologischen Minderwertigkeitsbegiffs und des bedeutsamen Zusammenhangs von Minderwertigkeit und Kompensation, umfassend und existentiell, innen und außen, intrapsychisch und im sichtbaren Verhalten.
Eine unverzichtbare Grundlage, die oftmals dort, wo Freud sich einen angetan hat, evident, schlüssig, logisch und einleuchtend greift, und dabei bewundernswert einfach und elegant erscheint.

Sehr effektiv.


C.G. Jung

Tja, der Carl-Gustav.

Ein bisschen pubertär, ein bisschen arg phantastisch, jedoch ausgezeichnet als nahezu gewaltsamer Optimist im steilen Affront zu Freuds Pessimismus, nach vorne, statt rückwärts gewandt. Wer den Mythos sucht und verstehen will, der kommt an Jung nicht vorbei. Und - sein vielleicht größter Sieg: selbst der erklärte, unerbittliche Feind des Mythos ist gezwungen, ihn zu lesen und sich, zumindest ansatzweise, mit seinen Analysen und Konzepten auseinanderzusetzen.
Auch seine TYPENLEHRE ist natürlich großartig. Nach wie vor die beste, die mir begegnet ist.
Und auch sein Entwurf einer gleichberechtigten Therapeut-Klient-Beziehung muss unbedingt erwähnt werden, denn da, wo Freud stets strengste Distanz wahrt, fordert Jung das kompromiss- und bedingungslose Einlassen auf den Klient.
Wer als therapeutischer Gesprächspartner nicht etwas von sich selbst gibt, der scheitert.

Dem stimme ich zu.

Allerdings bleibt das Therapeut-Klient-Verhältnis natürlich am Ende immer auch eine persönliche Geschmacksfrage, deren bedeutendste Einflussfaktoren wahrscheinlich der Charakter, die Prägung und das Vermögen, des Therapeuten selbst sind.

***

Extraerwähnung

Dicht dran: Willhelm Reich. Vielleicht der Nietzsche der Tiefenpsychologie, auch wegen seiner Konsequenz. Wer CHRISTUSMORD liest, der ist danach nicht mehr derselbe, der er vorher war, weil - der mit voller Wucht ausgeführte Schlag mit der gusseisernen, tiefenpsychologischen Bratpfanne dermaßen kompromisslos ist, dass er eine unvergängliche Narbe hinterlässt.