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Donnerstag, 28. November 2024
Short Cuts I/TOT/1997-1999 - (II) - XX./Boheme.
laghbas, 12:07h
In dem Moment, in dem sein Herz den endgültig letzten Schlag getan hatte, stand er auf, um leichten Schrittes hinüber in die Bibliothek zu schlendern.
Dort angekommen nahm er sich von dem vorzüglichen Brandy, den er so sehr schätzte, und griff anschließend in die prachtvoll verzierte Zigarrenkiste, aus der er eine seiner sündhaft teuren Lieblingszigarren herauszog.
So gerüstet, das Brandyglas in der einer Hand, die mittlerweile brennende Zigarre in der anderen, ließ er sich in den bequemsten Sessel fallen, den er finden konnte, und begann trinkend und rauchend über sein vergangenes Leben nachzusinnen.
Ja, er hatte es geliebt, dieses Leben, hatte es ausgekostet mit all seinen Sinnen. Mit gutem Recht konnte er behaupten, dass er den Kelch, der ihm dargeboten worden war, bis zur Neige geleert hatte, in den Jahren seiner leiblichen Existenz. Er hatte nichts, aber auch gar nichts von den Reizen, die das Leben einem Menschen bot, verschmäht, hatte nichts ausgelassen, nichts abgelehnt. Er hatte getrunken, sich berauscht, hatte geliebt und gehasst. Manchmal hatte er sich wie ein Gott gefühlt, so erhaben, so mächtig, so privilegiert. Er hatte Geld zum Fenster herausgeworfen, mit einem Lächeln und ohne auch nur den geringsten Anflug eines schlechten Gewissens.
„Was soll’s?“, so hatte er all jenen zugerufen, die ihn hatten hindern wollen.
All den Mahnern, den verklemmten Moralaposteln, den Frommen, Ängstlichen, Zurückhaltenden, den maßvoll Neidischen, den Weisen und Gelehrten, denen, die ihn mit erhobenem Zeigefinger und strengem, heuchlerischem Blick zur Ordnung hatten rufen wollen.
„Zur Hölle mit ihnen allen“, so hatte er gedacht - Zeit seines Lebens.
Aus dem Halbdunkel der Bibliothek mit ihren ehrfurchtgebietenden Wänden voller alter, verstaubter Bücher und Folianten heraus trat langsam der Tod an ihn heran.
Nach einem ewigen Moment der Stille, in dem sie sich gegenseitig schweigend maßen schließlich, stellte er der in verdreckte, schwarze Stofffetzen gewandeten Gestalt die Frage, die zu stellen er sich für diesen Augenblick vorgenommen hatte: „Habe ich richtig gehandelt? Oder war mein Leben, mein manchmal so selbstsüchtiger Kampf gegen die Kleinmütigen der Welt, völlig umsonst? Werde ich jetzt, nach meinem Tod, Strafe zu erleiden haben? Himmel oder Hölle? Wohin bringst du mich?“
Der Tod sah ihn aus leeren Augenhöhlen an, sein bleicher Knochenschädel schien ein mattes Licht auszustrahlen.
„Was soll’s!“, so sprach der Tod, „Zur Hölle mit ihnen allen!“.
Und nahm ihn mit sich.
Dort angekommen nahm er sich von dem vorzüglichen Brandy, den er so sehr schätzte, und griff anschließend in die prachtvoll verzierte Zigarrenkiste, aus der er eine seiner sündhaft teuren Lieblingszigarren herauszog.
So gerüstet, das Brandyglas in der einer Hand, die mittlerweile brennende Zigarre in der anderen, ließ er sich in den bequemsten Sessel fallen, den er finden konnte, und begann trinkend und rauchend über sein vergangenes Leben nachzusinnen.
Ja, er hatte es geliebt, dieses Leben, hatte es ausgekostet mit all seinen Sinnen. Mit gutem Recht konnte er behaupten, dass er den Kelch, der ihm dargeboten worden war, bis zur Neige geleert hatte, in den Jahren seiner leiblichen Existenz. Er hatte nichts, aber auch gar nichts von den Reizen, die das Leben einem Menschen bot, verschmäht, hatte nichts ausgelassen, nichts abgelehnt. Er hatte getrunken, sich berauscht, hatte geliebt und gehasst. Manchmal hatte er sich wie ein Gott gefühlt, so erhaben, so mächtig, so privilegiert. Er hatte Geld zum Fenster herausgeworfen, mit einem Lächeln und ohne auch nur den geringsten Anflug eines schlechten Gewissens.
„Was soll’s?“, so hatte er all jenen zugerufen, die ihn hatten hindern wollen.
All den Mahnern, den verklemmten Moralaposteln, den Frommen, Ängstlichen, Zurückhaltenden, den maßvoll Neidischen, den Weisen und Gelehrten, denen, die ihn mit erhobenem Zeigefinger und strengem, heuchlerischem Blick zur Ordnung hatten rufen wollen.
„Zur Hölle mit ihnen allen“, so hatte er gedacht - Zeit seines Lebens.
Aus dem Halbdunkel der Bibliothek mit ihren ehrfurchtgebietenden Wänden voller alter, verstaubter Bücher und Folianten heraus trat langsam der Tod an ihn heran.
Nach einem ewigen Moment der Stille, in dem sie sich gegenseitig schweigend maßen schließlich, stellte er der in verdreckte, schwarze Stofffetzen gewandeten Gestalt die Frage, die zu stellen er sich für diesen Augenblick vorgenommen hatte: „Habe ich richtig gehandelt? Oder war mein Leben, mein manchmal so selbstsüchtiger Kampf gegen die Kleinmütigen der Welt, völlig umsonst? Werde ich jetzt, nach meinem Tod, Strafe zu erleiden haben? Himmel oder Hölle? Wohin bringst du mich?“
Der Tod sah ihn aus leeren Augenhöhlen an, sein bleicher Knochenschädel schien ein mattes Licht auszustrahlen.
„Was soll’s!“, so sprach der Tod, „Zur Hölle mit ihnen allen!“.
Und nahm ihn mit sich.
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Sonntag, 24. November 2024
Short Cuts I/TOT/1997-1999 - (II) - XIX./König auf dem Thron des Schmetterlings.
laghbas, 13:42h
Sie gelangten in die Halle des Schmetterlingskönigs.
Dort saß er auf seinem steinernen Thron, schweigend und irgendwie vergrämt. Sein Gesicht - wie aus Granit geschnitten, seine Krone - stolz auf seinem Haupt.
Er sprach so gut wie niemals, und wenn er es tat, dann waren seine Worte golden.
Die Gruppe der Helden blieb stehen, nachdem sie die Halle ein paar Meter weit durchquert hatte. Sie sah hinüber zu der bewegungslosen Gestalt in deren Mitte. Sie hielt mit ihren Augen, ihren Blicken, den Schmetterlingskönig fest, bannte ihn auf seinem Thron.
Ein auffälliger Lichtstrahl drang durch die Hallendecke, schnitt durch die Luft und streifte Haupt und Körper des Schmetterlingskönigs.
Dann sahen sie den Falter.
Tänzelnd, spielend zog er seine Bahnen um den Thron des Königs.
Schleifen noch und nöcher flog er, unruhig, ständig in Bewegung, fröhlich tänzelnd, spielerisch und voller Unschuld. Unbeschwert.
Sein König aber würdigte ihn keines Blickes.
Er verharrte, irgendwo ...
Dort saß er auf seinem steinernen Thron, schweigend und irgendwie vergrämt. Sein Gesicht - wie aus Granit geschnitten, seine Krone - stolz auf seinem Haupt.
Er sprach so gut wie niemals, und wenn er es tat, dann waren seine Worte golden.
Die Gruppe der Helden blieb stehen, nachdem sie die Halle ein paar Meter weit durchquert hatte. Sie sah hinüber zu der bewegungslosen Gestalt in deren Mitte. Sie hielt mit ihren Augen, ihren Blicken, den Schmetterlingskönig fest, bannte ihn auf seinem Thron.
Ein auffälliger Lichtstrahl drang durch die Hallendecke, schnitt durch die Luft und streifte Haupt und Körper des Schmetterlingskönigs.
Dann sahen sie den Falter.
Tänzelnd, spielend zog er seine Bahnen um den Thron des Königs.
Schleifen noch und nöcher flog er, unruhig, ständig in Bewegung, fröhlich tänzelnd, spielerisch und voller Unschuld. Unbeschwert.
Sein König aber würdigte ihn keines Blickes.
Er verharrte, irgendwo ...
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Samstag, 16. November 2024
Short Cuts I/TOT/1997-1999 - (II) - XVIII./Der Tod auf dem Jahrmarkt.
laghbas, 19:02h
Ich ging von zu Hause fort, und einfach so umherzuwandern stand mein Sinn. Die Sonne prangte hell und strahlend am nahtlos blauen Morgenhimmel; ein lauer, ein weicher, einschmeichelnder Sommerwind, den ich bei jedem Schritt lustvoll auf meiner Haut verspüren konnte, brachte Bewegung in die zu vollem Grün erwachten Laubwolken der Bäume um mich herum. Ich war jung und voller Leben. Begeistert empfand ich das Spiel meiner Muskeln und Sehnen während des Gehens. Ich fühlte mich kräftig und gesund wie nie zuvor.
Die Zeit verstrich.
Nach etwa zwei Stunden des ziellosen Umherwanderns gelangte ich zu einer Talsohle, in deren Vertiefung ein hübsch anzusehendes Dörfchen gelegen war. Die Häuser des Dorfes erschienen mir so, als müssten in ihrem Inneren kleine, freundliche Wesen leben, Zwerge vielleicht mit zerknautschten, roten Mützen, bärtigen, rosig glänzenden Gesichtern. Frohgemut schritt ich die letzte Strecke hinab ins Tal. Ich war voller Neugier auf die Bewohner dieses Dorfes, auf ihre strahlenden Gesichter, auf den Wein, den sie mir kredenzen, auf die Geschichten, die sie mir erzählen würden, auf ihr Lachen und ihre muntere Gesellschaft.
Oh, wie naiv bin ich gewesen, wie einfältig.
(...)
***
Anfang. Vollständige Erzählung.
Die Zeit verstrich.
Nach etwa zwei Stunden des ziellosen Umherwanderns gelangte ich zu einer Talsohle, in deren Vertiefung ein hübsch anzusehendes Dörfchen gelegen war. Die Häuser des Dorfes erschienen mir so, als müssten in ihrem Inneren kleine, freundliche Wesen leben, Zwerge vielleicht mit zerknautschten, roten Mützen, bärtigen, rosig glänzenden Gesichtern. Frohgemut schritt ich die letzte Strecke hinab ins Tal. Ich war voller Neugier auf die Bewohner dieses Dorfes, auf ihre strahlenden Gesichter, auf den Wein, den sie mir kredenzen, auf die Geschichten, die sie mir erzählen würden, auf ihr Lachen und ihre muntere Gesellschaft.
Oh, wie naiv bin ich gewesen, wie einfältig.
(...)
***
Anfang. Vollständige Erzählung.
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Sonntag, 10. November 2024
Short Cuts I/TOT/1997-1999 - (II) - XVII./Raumkreuzer Castro.
laghbas, 08:26h
Lautlos schob sich das stählerne Ungetüm durch den sternenerfüllten Raum. Fünf Wochen waren vergangen, seit die Crew des Raumkreuzers Castro den Funkkontakt zu anderen Raumstationen oder Raumschiffen verloren hatte. Dem entsprechend war die Stimmung der Besatzung nicht gerade von ausgesprochener Fröhlichkeit geprägt. Der Captain der Castro schlich die gesamte Wachzeit über durch die Gänge und Räume seines Schiffs und war schon seit geraumer Zeit nicht mehr ansprechbar für die Mitglieder seiner Crew. Der erste Offizier, Leutnant Silly Stanz, bemühte sich an seiner statt nach Leibeskräften, den normalen Betrieb auf dem Sternenkreuzer aufrechtzuerhalten. Die anderen, ein Arzt, ein Wissenschaftler, zwei Techniker und drei einfache Bordarbeiter, begannen immer mehr, einfach nur in den Tag hineinzuleben, ohne noch weiter darüber nachzudenken, wie sie die Rückkehr in die von Menschen kolonialisierte Sektoren bewerkstelligen konnten.
Zu aussichtslos erschien die Lage.
Man trieb steuerlos durch die Tiefen unbekannter Gegenden des Alls. An eine Wiederherstellung der ausgefallenen Triebwerke oder der beschädigten Steuerung war nicht zu denken. Nicht mehr, seit sie in den ersten fünf Wochen ihrer Odyssee alles wieder und wieder geprüft, besprochen, verworfen hatten, was auch nur irgendeine Möglichkeit hätte beinhalten können, die zur Rückkehr einen realen Beitrag zu leisten im Stande gewesen wäre.
Zu aussichtslos erschien die Lage.
Man trieb steuerlos durch die Tiefen unbekannter Gegenden des Alls. An eine Wiederherstellung der ausgefallenen Triebwerke oder der beschädigten Steuerung war nicht zu denken. Nicht mehr, seit sie in den ersten fünf Wochen ihrer Odyssee alles wieder und wieder geprüft, besprochen, verworfen hatten, was auch nur irgendeine Möglichkeit hätte beinhalten können, die zur Rückkehr einen realen Beitrag zu leisten im Stande gewesen wäre.
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