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Donnerstag, 22. August 2024
Hispana - (Fragmente/FremdlerArchive) - Prolog.
laghbas, 09:08h
Ich…
... erwache; er erwacht.
Der Mann, schlank mit braunem Haar, das nass an seinem Schädel klebt, erwacht - langsam, trübe sich aus einer bodenlosen Schwärze empor kämpfend, aus einer Ohnmacht, die ihn irgendwann während seines brutalen Überlebenskampfes in den unbarmherzigen Fluten des Meeres überkommen haben musste. Erst kommt der Schmerz, dann kommt die Kälte. Auch eine Art Schmerz.
Graue Wolken bedecken den Himmel, man hörte die Schreie der Möwen, die sich mit dem ewigen Anklatschen der Wellen ans steinige Ufer vermischten.
Schiffbruch erlitten!
Zögerlich sickerte Erinnerung in den Geist des Mannes. Die Wut der See, die längst richtungslos gewordenen Brecher, schaumgekrönt, ihre Flanken schärfer, steiler noch als der Stahl einer nach oben gerichteten, feindlichen Klinge.
Zuletzt: der schwerfällig knirschende Todesschrei des Schiffes.
Ich erinnerte mich an gefühllos gewordene Finger, verzweifelt in ein geschnürtes Bündel aus rauem Segeltuch gekrallt.
Festhalten, um jeden Preis.
Der Schmerz, jetzt verursacht durch das lange Liegen auf den spitzen, scharfkantigen Unebenheiten des Felsgesteins, zwingt zur Bewegung.
Von Schmerz zu Schmerz getrieben.
... erwache; er erwacht.
Der Mann, schlank mit braunem Haar, das nass an seinem Schädel klebt, erwacht - langsam, trübe sich aus einer bodenlosen Schwärze empor kämpfend, aus einer Ohnmacht, die ihn irgendwann während seines brutalen Überlebenskampfes in den unbarmherzigen Fluten des Meeres überkommen haben musste. Erst kommt der Schmerz, dann kommt die Kälte. Auch eine Art Schmerz.
Graue Wolken bedecken den Himmel, man hörte die Schreie der Möwen, die sich mit dem ewigen Anklatschen der Wellen ans steinige Ufer vermischten.
Schiffbruch erlitten!
Zögerlich sickerte Erinnerung in den Geist des Mannes. Die Wut der See, die längst richtungslos gewordenen Brecher, schaumgekrönt, ihre Flanken schärfer, steiler noch als der Stahl einer nach oben gerichteten, feindlichen Klinge.
Zuletzt: der schwerfällig knirschende Todesschrei des Schiffes.
Ich erinnerte mich an gefühllos gewordene Finger, verzweifelt in ein geschnürtes Bündel aus rauem Segeltuch gekrallt.
Festhalten, um jeden Preis.
Der Schmerz, jetzt verursacht durch das lange Liegen auf den spitzen, scharfkantigen Unebenheiten des Felsgesteins, zwingt zur Bewegung.
Von Schmerz zu Schmerz getrieben.
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Mittwoch, 14. August 2024
Short Cuts I/TOT/1997-1999 - (II) - V./Hommage à Poe.
laghbas, 23:27h
Morgenrote Sonnenaugen glitzern frierend in der Nässe. Massenwesen tänzeln sacht dem Untergang entgegen. Glaube mir und glaube nicht, in Sternennächten, im Zelt aus Himmelslust. Morgenrote Sonnenaugen glitzern frierend in der Nässe, wissen nicht, warum sie leben, sind.
„Abrakadabra“, der schwarze Vogel des Todes krächzte sein vollkommenstes Krächzen. Nevermore, never, never, nevermore. Ein Traum in einem Traum.
Das und nichts ansonsten.
„Abrakadabra“, der schwarze Vogel des Todes krächzte sein vollkommenstes Krächzen. Nevermore, never, never, nevermore. Ein Traum in einem Traum.
Das und nichts ansonsten.
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Short Cuts I/TOT/1997-1999 - (II) - IV./Bob.
laghbas, 10:11h
„Hey Bob, was tust du?“, der schlaksige Typ mit dem Blumenhemd rief quer über die Straße.
Auf der anderen Seite war es Bob, der überrascht zusammenzuckte.
„Mir geht es gut, schließlich lebe ich noch!“, rief er zurück.
„Na, dann ist ja gut, Alter!“
„Ja, da hast du wohl Recht.“
Bob hatte den Typen noch nie in seinem Leben gesehen. Er war sich dessen absolut sicher, und dennoch ... sprach der Fremde weiter. Ja, mehr als das, der blumenhemdbekleidete Unbekannte war nun tatsächlich dabei, die Straße zu überqueren.
Bob fing an zu schwitzen. Dann war der andere bei ihm und noch ehe er sich versah, musste er einen kameradschaftlichen Schlag auf seine Schulter hinnehmen.
„So lange nicht gesehen. Na, warte mal, es muss jetzt an die zehn, nein bald zwanzig Jahre her sein. Ach Bob, weißt du noch, die Nacht, in der wir die Puppen tanzen ließen, unten in Texas?“, der Fremde sah versonnen ins Nichts.
Bob wurde schwindlig. „Texas? Ähm, verzeihen Sie, aber ich denke, wir sind uns noch nie begegnet. Oder vielleicht kann ich mich nur nicht erinnern, ich …“
Der Fremde wandte sich ab, und nach kurzem Zögern hörte Bob ihn rufen: „Hey, Joe, was tust du?“, quer über die Straße hinweg.
Auf der anderen Seite zuckte ein kleiner Mann im langen grauen Wollmantel zusammen und sah unsicher zu ihnen herüber.
Bob wurde schlecht. Sein Magen rebellierte gegen den Kaffee und die Brötchen, die er zum Frühstück gehabt hatte.
Der Fremde überquerte die Straße zum zweiten Mal.
Bob ging weiter.
Er beschloss, den Vorfall so schnell wie möglich zu vergessen.
Wie hatte seine alte Mutter immer zu ihm gesagt, damals als er noch ein Knirps gewesen war: "Junge, merke dir eins! Nur dies eine, versprich es!“, seine Mutter hatte ihm dabei jedes Mal ganz tief in die Augen gesehen und den Druck ihrer ihn festhaltenden Hände auf seine Arme verstärkt.
„Suche nicht Fragen zu beantworten, die über deinen Verstand gehen. Das bringt nichts, und macht dich verrückt. Würdest du das für mich wiederholen, mein Sohn?"
Und Bob hatte es wiederholt, so unendlich viele Male während seiner Kindheit.
„Suche nicht Fragen zu beantworten, die über deinen Verstand gehen. Suche nicht Fragen zu beantworten, die über deinen Verstand gehen. Suche nicht Fragen zu beantworten, die über deinen Verstand gehen. Suche nicht ...“.
Auf der anderen Seite war es Bob, der überrascht zusammenzuckte.
„Mir geht es gut, schließlich lebe ich noch!“, rief er zurück.
„Na, dann ist ja gut, Alter!“
„Ja, da hast du wohl Recht.“
Bob hatte den Typen noch nie in seinem Leben gesehen. Er war sich dessen absolut sicher, und dennoch ... sprach der Fremde weiter. Ja, mehr als das, der blumenhemdbekleidete Unbekannte war nun tatsächlich dabei, die Straße zu überqueren.
Bob fing an zu schwitzen. Dann war der andere bei ihm und noch ehe er sich versah, musste er einen kameradschaftlichen Schlag auf seine Schulter hinnehmen.
„So lange nicht gesehen. Na, warte mal, es muss jetzt an die zehn, nein bald zwanzig Jahre her sein. Ach Bob, weißt du noch, die Nacht, in der wir die Puppen tanzen ließen, unten in Texas?“, der Fremde sah versonnen ins Nichts.
Bob wurde schwindlig. „Texas? Ähm, verzeihen Sie, aber ich denke, wir sind uns noch nie begegnet. Oder vielleicht kann ich mich nur nicht erinnern, ich …“
Der Fremde wandte sich ab, und nach kurzem Zögern hörte Bob ihn rufen: „Hey, Joe, was tust du?“, quer über die Straße hinweg.
Auf der anderen Seite zuckte ein kleiner Mann im langen grauen Wollmantel zusammen und sah unsicher zu ihnen herüber.
Bob wurde schlecht. Sein Magen rebellierte gegen den Kaffee und die Brötchen, die er zum Frühstück gehabt hatte.
Der Fremde überquerte die Straße zum zweiten Mal.
Bob ging weiter.
Er beschloss, den Vorfall so schnell wie möglich zu vergessen.
Wie hatte seine alte Mutter immer zu ihm gesagt, damals als er noch ein Knirps gewesen war: "Junge, merke dir eins! Nur dies eine, versprich es!“, seine Mutter hatte ihm dabei jedes Mal ganz tief in die Augen gesehen und den Druck ihrer ihn festhaltenden Hände auf seine Arme verstärkt.
„Suche nicht Fragen zu beantworten, die über deinen Verstand gehen. Das bringt nichts, und macht dich verrückt. Würdest du das für mich wiederholen, mein Sohn?"
Und Bob hatte es wiederholt, so unendlich viele Male während seiner Kindheit.
„Suche nicht Fragen zu beantworten, die über deinen Verstand gehen. Suche nicht Fragen zu beantworten, die über deinen Verstand gehen. Suche nicht Fragen zu beantworten, die über deinen Verstand gehen. Suche nicht ...“.
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Sonntag, 11. August 2024
Zellenengel - (Erzählung/SF) - I.
laghbas, 12:00h
In einer Staubwolke landete das Buch auf dem Boden. Niemand hatte es herausgezogen, keine Hand hatte nach ihm gegriffen oder es auch nur berührt - nicht mehr seit über tausend Jahren. Als wäre ein plötzlicher Windstoß hindurchgefahren, bewegten sich plötzlich die Seiten, raschelten, die Bindung des Buchs knarzte leise und, wie zufällig, blieb es an einer vorbestimmten Stelle offen liegen.
Seine fleischlosen Augen machten sich ans Lesen.
Ohio, 14. März 2103.
Dies sind die Aufzeichnungen des Insassen O-18184, aufgefunden nach seinem Selbstmord am frühen Morgen des 11. Juni 2101. Obwohl die Untersuchungskommission vehement an den Schilderungen des Selbstmörders zweifelt - ja, geneigt ist, sie für die grotesken Fantasien eines durch und durch Wahnsinnigen zu halten -, wurde entschieden, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Wir übersenden Ihnen hiermit den Originaltext, mitsamt einigen von uns markierten (kursiv gesetzten) Passagen, die wir dringend zur Zensur anraten, da sie ein unerwünschtes Licht auf das Zellensystem werfen.
Der Text selbst gliedert sich in zwei Teile, von denen der erste eine kurze Einführung zum System selbst, seiner Geschichte und Funktion, gibt, während der zweite die entarteten, selbst formulierten Fantasien des verstorbenen Insassen im Original wiedergibt.
Der beigefügten Aktennotiz folgte der eigentliche Text. Obwohl er die Geschichte schon kannte, las er weiter und vertiefte sich in die Sätze und Worte, die er vor langer Zeit, zumindest was den zweiten Teil betraf, eigenhändig verfasst hatte.
Einfache metallische Gehäuse, fensterlos, hermetisch abgeschlossen, ohne unmittelbare Verbindung zur Außenwelt, hunderttausende von ihnen existieren in den unzugänglichen Regionen der Hochgebirge oder den unauslotbaren Tiefen verschiedener Höhlensysteme weit unter der Oberfläche der Erde. Ihr Sinn und Zweck besteht in der gezielten Anregung und Förderung menschlicher Kreativität, der kompromisslosen Ausreizung des in dieser Hinsicht abrufbaren, neurologischen Potentials. Jedem Mitglied des Kollektivs steht es mit Vollendung des dreiundzwanzigsten Lebensjahres frei, sich für den Rückzug in eines der Zellensysteme zu entscheiden. Man stellt einen Antrag und erlangt meist ohne weitere Komplikationen die Erlaubnis. Wenige Tagen später dann zeigt ein Signal des persönlichen Postempfängers den Eingang der Information zu Lagebedingung und Standort des zugewiesenen Systems, und man verlässt seine Wohnkapsel, verschließt ein letztes Mal die Tür hinter sich, um von da an ein selbstloses und ehrenvolles Leben im Dienste des Kollektivs zu führen. Sämtliche Besitztümer werden zurückgelassen. Sie verbleiben in den Wohneinheiten der Antragssteller und werden später unter den Bedürftigen des Kollektivs verteilt. Nichts ist zur Mitnahme erlaubt, außer Büchern, digitalisierten Wissensbeständen und, vielleicht, individuellem Schreib- und Arbeitsmaterial. Alles andere, das der eine oder andere vielleicht noch zu benötigen glaubt, muss nach Bezug der Zelle vor Ort beantragt werden.
Wie jeder weiß, resultieren seit Jahrzehnten ausnahmslos alle bedeutenden Entdeckungen der exakten Wissenschaft, aber auch der Geisteswissenschaft und Kunst, der Theologie, der Philosophie, einzig aus den streng überwachten Kreativitätsprozessen der Insassen jener Zellensysteme, die - solange sie ihre Aufgabe erfüllen - ein sorgloses und bequemes Leben führen, einsam und spartanisch, jedoch gänzlich frei von existentiellen Ängsten irgendeiner Art; man sorgt für sie, umgibt sie mit all der Sicherheit, die sie benötigen, um ihre Aufgabe zu erfüllen.
Natürlich provoziert diese Verheißung vollkommener, existenzieller Sorglosigkeit gelegentlich Versuche des Missbrauchs. Diesbezüglich haben die Zellensysteme mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen wie alle anderen staatlichen Versorgungs- und Wohlfahrtssysteme der Vergangenheit auch. Der Ablauf des Lebens in der Abgeschiedenheit der Zellen jedoch lässt solche Missbrauchsversuche nicht lange unentdeckt. Wände, Fußböden und Decken der Zellen sind von hoch sensiblen Messeinrichtungen durchsetzt, die unablässig in jedem Augenblick die Geistesleistung der jeweiligen Insassen aufzeichnen, den Aktivitätsgrad der Hirnareale abbilden, und so mittels zentralisierter Überwachungstechnik die Parameter errechnen, die laufend darüber Aufschluss geben, ob, und in welchem Maße, der Eingeschlossene noch produktiv arbeitet oder - im Gegenteil - in ein neurologisch dumpfes, ziel- und nutzloses Dahinvegetieren verfallen ist.
Letzteres ist unter keinen Umständen erwünscht.
(...)
***
Alternativer Arbeitstitel: "Körperlos".
Seine fleischlosen Augen machten sich ans Lesen.
Ohio, 14. März 2103.
Dies sind die Aufzeichnungen des Insassen O-18184, aufgefunden nach seinem Selbstmord am frühen Morgen des 11. Juni 2101. Obwohl die Untersuchungskommission vehement an den Schilderungen des Selbstmörders zweifelt - ja, geneigt ist, sie für die grotesken Fantasien eines durch und durch Wahnsinnigen zu halten -, wurde entschieden, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Wir übersenden Ihnen hiermit den Originaltext, mitsamt einigen von uns markierten (kursiv gesetzten) Passagen, die wir dringend zur Zensur anraten, da sie ein unerwünschtes Licht auf das Zellensystem werfen.
Der Text selbst gliedert sich in zwei Teile, von denen der erste eine kurze Einführung zum System selbst, seiner Geschichte und Funktion, gibt, während der zweite die entarteten, selbst formulierten Fantasien des verstorbenen Insassen im Original wiedergibt.
Der beigefügten Aktennotiz folgte der eigentliche Text. Obwohl er die Geschichte schon kannte, las er weiter und vertiefte sich in die Sätze und Worte, die er vor langer Zeit, zumindest was den zweiten Teil betraf, eigenhändig verfasst hatte.
Einfache metallische Gehäuse, fensterlos, hermetisch abgeschlossen, ohne unmittelbare Verbindung zur Außenwelt, hunderttausende von ihnen existieren in den unzugänglichen Regionen der Hochgebirge oder den unauslotbaren Tiefen verschiedener Höhlensysteme weit unter der Oberfläche der Erde. Ihr Sinn und Zweck besteht in der gezielten Anregung und Förderung menschlicher Kreativität, der kompromisslosen Ausreizung des in dieser Hinsicht abrufbaren, neurologischen Potentials. Jedem Mitglied des Kollektivs steht es mit Vollendung des dreiundzwanzigsten Lebensjahres frei, sich für den Rückzug in eines der Zellensysteme zu entscheiden. Man stellt einen Antrag und erlangt meist ohne weitere Komplikationen die Erlaubnis. Wenige Tagen später dann zeigt ein Signal des persönlichen Postempfängers den Eingang der Information zu Lagebedingung und Standort des zugewiesenen Systems, und man verlässt seine Wohnkapsel, verschließt ein letztes Mal die Tür hinter sich, um von da an ein selbstloses und ehrenvolles Leben im Dienste des Kollektivs zu führen. Sämtliche Besitztümer werden zurückgelassen. Sie verbleiben in den Wohneinheiten der Antragssteller und werden später unter den Bedürftigen des Kollektivs verteilt. Nichts ist zur Mitnahme erlaubt, außer Büchern, digitalisierten Wissensbeständen und, vielleicht, individuellem Schreib- und Arbeitsmaterial. Alles andere, das der eine oder andere vielleicht noch zu benötigen glaubt, muss nach Bezug der Zelle vor Ort beantragt werden.
Wie jeder weiß, resultieren seit Jahrzehnten ausnahmslos alle bedeutenden Entdeckungen der exakten Wissenschaft, aber auch der Geisteswissenschaft und Kunst, der Theologie, der Philosophie, einzig aus den streng überwachten Kreativitätsprozessen der Insassen jener Zellensysteme, die - solange sie ihre Aufgabe erfüllen - ein sorgloses und bequemes Leben führen, einsam und spartanisch, jedoch gänzlich frei von existentiellen Ängsten irgendeiner Art; man sorgt für sie, umgibt sie mit all der Sicherheit, die sie benötigen, um ihre Aufgabe zu erfüllen.
Natürlich provoziert diese Verheißung vollkommener, existenzieller Sorglosigkeit gelegentlich Versuche des Missbrauchs. Diesbezüglich haben die Zellensysteme mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen wie alle anderen staatlichen Versorgungs- und Wohlfahrtssysteme der Vergangenheit auch. Der Ablauf des Lebens in der Abgeschiedenheit der Zellen jedoch lässt solche Missbrauchsversuche nicht lange unentdeckt. Wände, Fußböden und Decken der Zellen sind von hoch sensiblen Messeinrichtungen durchsetzt, die unablässig in jedem Augenblick die Geistesleistung der jeweiligen Insassen aufzeichnen, den Aktivitätsgrad der Hirnareale abbilden, und so mittels zentralisierter Überwachungstechnik die Parameter errechnen, die laufend darüber Aufschluss geben, ob, und in welchem Maße, der Eingeschlossene noch produktiv arbeitet oder - im Gegenteil - in ein neurologisch dumpfes, ziel- und nutzloses Dahinvegetieren verfallen ist.
Letzteres ist unter keinen Umständen erwünscht.
(...)
***
Alternativer Arbeitstitel: "Körperlos".
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Donnerstag, 8. August 2024
Short Cuts I/TOT/1997-1999 - (II) - III./Allein - Die Wahrheit.
laghbas, 10:14h
„Die Wahrheit ist nicht beliebt unter den Menschen“, sprach der Alte und ging von dannen. Einem Ziel entgegen, das er selbst noch nicht benennen konnte.
Wie sollte er auch? Unwissend, einsam, traurig wie er war, nachdem Sie ihm alles genommen hatten.
Der Junge blieb zurück und seine Stirn zeigte einen ersten Hauch der tiefen Gräben, die sich im Laufe der Jahre in sie eingraben würden.
„Die Wahrheit ist nicht beliebt unter den Menschen, versuche nicht sie Ihnen schmackhaft zu machen. Sie würden dich töten dafür. Sie leben in der Lüge, und nur die Lüge erhält sie am Leben.“
Der Junge wälzte die Worte des Alten immer und immer wieder in seinen Gedanken hin und her, hin und her. Was, um Gottes Willen, sollte er denn anfangen mit seinem Leben, wenn er es nicht der Wahrheit widmen konnte. Was blieb?
Eigentlich unterschied er sich nicht im Geringsten von dem Alten, der ihm diese Weisheit vermittelt hatte. Auch der Junge hatte alles verloren. Seinen Glauben, das, was man gemeinhin als Ideale bezeichnete. Alles lag in Trümmern, verteilte sich in formlose Brocken um ihn herum, soweit er sah.
Der Alte entfernte sich immer weiter von dem Jungen. Wurde kleiner und kleiner, während er der Auflösung entgegenging. Dann, mit einem Mal, verschluckte ihn der Horizont, und es war, als habe er niemals wirklich existiert.
Die Sonne blutete. Ihr vernichtendes Rot glühte und tauchte die Welt in ein mystisches Licht.
Eines der Einhörner sprang aus dem nahe gelegenen Wald, hob den Kopf und schrie als müsse es sterben. Die Jungfrau näherte sich ihm. Ihr weißes Gewand wogte sanft im Wind an diesem lauen Abend.
„Die Liebe wird dich retten, stolzes Pferd. Die Liebe wird dich retten.“
Sie sprach die Worte zu dem leidenden Tier, legte ihre Hand auf dessen kraftvollen Hals. Das Tier beugte die Knie, sank nieder zu Füssen des Mädchens. Dann starb es, und seine Seele entwich dem Körper im Gewand einer leisen, unscheinbaren Melodie, die geschaffen war, die Welt zu verändern.
Blumen erblühten. Bäume verneigten ihre uralten Gesichter voller Narben.
„Die Liebe wird dich retten!“.
Der Junge ging nach Hause. Durchwanderte die Felder und Wiesen, die das kleine Dorf, in dem er lebte, umgaben.
„Es ist spät, mein Sohn, eile dich, eile dich. Mutter sorgt sich. Eile dich, eile dich ... eile dich.“
Die Stimme verging. Der Junge begann zu laufen. Schneller und schneller trugen ihn seine Füße über den nunmehr staubigen Boden nach Hause.
Als er vollkommen außer Atem die Hütte seiner Eltern erreichte, waren diese nicht da. Zwar stand ein dampfender Kochtopf auf dem kantigen Herd, doch niemand antwortete auf die Rufe des Jungen.
Er senkte den Kopf. Er wusste mit einem Mal, dass er von nun an ganz alleine auf der Welt sein würde.
Keiner würde ihm mehr helfen.
Wie sollte er auch? Unwissend, einsam, traurig wie er war, nachdem Sie ihm alles genommen hatten.
Der Junge blieb zurück und seine Stirn zeigte einen ersten Hauch der tiefen Gräben, die sich im Laufe der Jahre in sie eingraben würden.
„Die Wahrheit ist nicht beliebt unter den Menschen, versuche nicht sie Ihnen schmackhaft zu machen. Sie würden dich töten dafür. Sie leben in der Lüge, und nur die Lüge erhält sie am Leben.“
Der Junge wälzte die Worte des Alten immer und immer wieder in seinen Gedanken hin und her, hin und her. Was, um Gottes Willen, sollte er denn anfangen mit seinem Leben, wenn er es nicht der Wahrheit widmen konnte. Was blieb?
Eigentlich unterschied er sich nicht im Geringsten von dem Alten, der ihm diese Weisheit vermittelt hatte. Auch der Junge hatte alles verloren. Seinen Glauben, das, was man gemeinhin als Ideale bezeichnete. Alles lag in Trümmern, verteilte sich in formlose Brocken um ihn herum, soweit er sah.
Der Alte entfernte sich immer weiter von dem Jungen. Wurde kleiner und kleiner, während er der Auflösung entgegenging. Dann, mit einem Mal, verschluckte ihn der Horizont, und es war, als habe er niemals wirklich existiert.
Die Sonne blutete. Ihr vernichtendes Rot glühte und tauchte die Welt in ein mystisches Licht.
Eines der Einhörner sprang aus dem nahe gelegenen Wald, hob den Kopf und schrie als müsse es sterben. Die Jungfrau näherte sich ihm. Ihr weißes Gewand wogte sanft im Wind an diesem lauen Abend.
„Die Liebe wird dich retten, stolzes Pferd. Die Liebe wird dich retten.“
Sie sprach die Worte zu dem leidenden Tier, legte ihre Hand auf dessen kraftvollen Hals. Das Tier beugte die Knie, sank nieder zu Füssen des Mädchens. Dann starb es, und seine Seele entwich dem Körper im Gewand einer leisen, unscheinbaren Melodie, die geschaffen war, die Welt zu verändern.
Blumen erblühten. Bäume verneigten ihre uralten Gesichter voller Narben.
„Die Liebe wird dich retten!“.
Der Junge ging nach Hause. Durchwanderte die Felder und Wiesen, die das kleine Dorf, in dem er lebte, umgaben.
„Es ist spät, mein Sohn, eile dich, eile dich. Mutter sorgt sich. Eile dich, eile dich ... eile dich.“
Die Stimme verging. Der Junge begann zu laufen. Schneller und schneller trugen ihn seine Füße über den nunmehr staubigen Boden nach Hause.
Als er vollkommen außer Atem die Hütte seiner Eltern erreichte, waren diese nicht da. Zwar stand ein dampfender Kochtopf auf dem kantigen Herd, doch niemand antwortete auf die Rufe des Jungen.
Er senkte den Kopf. Er wusste mit einem Mal, dass er von nun an ganz alleine auf der Welt sein würde.
Keiner würde ihm mehr helfen.
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