Samstag, 28. Oktober 2023
Baum des Lebens (Okkult/Abschlussdatei).
Sephirot - Sphäre 9 - Yessod/Fundament - Der Mond - Das Tor

Wir befinden uns an der Schwelle zur höheren Welt, und damit an der Schwelle zu wahrer Erkenntnis, an der Schwelle einer langen Reise, dem ersten Schritt hinaus. Ein Durchschreiten des Tors birgt bereits den Quell unmöglicher Rückkehr in sich. Straflos noch, aber bereits gegeben.
Die Farbe: Silber. Das Silber des Mondes.
Yessod, Sphäre 9, steht noch in engem Kontakt zu drei von vier/fünf Elementen.
Mit dem Element der Erde verbindet sie vor allem Nähe, der kurze Weg, der Weg der Welt, der die Nummer XXI trägt. Er führt - folgt man dem Pfad der weisen Schlange - hinauf von Sphäre 10 - dem Reich/Der Erde/Malchut - zu Sphäre 9 - zu Yessod/Mond.
Es ist der ersten Gedanke, der erste Zweifel, der erste Blick über den Horizont der Welt hinaus.
Mit dem Element der Luft ist Yessod primär über die wahre Zuordnung des Baumes verbunden, der mittleren Säule des Ausgleichs, der Harmonie und der Balance, die, folgt man dem Pfad des göttlichen Blitzes, den Strom der Luft, der aus der höchsten Sphäre - Kether - Sphäre 1, durch Typhon‘s Abgrund mit all seinem Grauen, über Daath hinweg, zur Mitte und zum Zentrum führt, zu Sphäre 6 - zu Tipharet - zur Sonne, um dort, geteilt, gespiegelt, umgekehrt durch Proketh’s Schleier, das Innere vom Äußeren, den Grad des Minor und des Major, unter höchster Achtsamkeit zu trennen. Sodann von Tipharet hinab zu Yessod. Auf jenem Weg, der „Ausgleich“ oder „Kunst“ geheißen, und der die Frage der Materie stellt.
Indes: der nahe Weg zum Wasser geht über den Mond im Silberglanz, von lauen Wellen eines Sees bei Nacht gespiegelt und verzerrt.
Feuer und Geist sind hier nur ein Gerücht.

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Sonntag, 22. Oktober 2023
Kristallwelt (Henry und June/Erzählung/SF).
Alles schien vorbereitet für einen wundervollen Abend und, wie er hoffte, eine ebenso wunderbare Nacht. Er war frisch gebadet, Gel formte seine Haare, der Anzug, den er sich extra zu diesem Anlass gekauft hatte, stand ihm prächtig. Es war sein erstes, offizielles Date mit Eloise, und eigentlich - hätte nichts schiefgehen dürfen.
Als es so weit war, trat er aus der Tür, stieg in den Wagen und befand sich auf dem Weg. Im lauwarmen Schein des Sonntagnachmittags trieb er sein Fahrzeug federnd über die Straßen der Vorstadt, das Fenster heruntergekurbelt, den Arm weit hinausgelehnt. Aus den Boxen seines altmodischen Autoradios dröhnte laut eines seiner Lieblingslieder aus den Siebziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts.
Kurz hielt er an einem Blumenautomaten und zog ein paar blaue, künstliche Lilien aus einem der Fächer, dann trieb es ihn auf den Sternenboulevard hinaus, dessen Verlauf ihn, gerade wie eine sorgsam ausgelegte Schwarzpulverspur, durch das kristallene Zentrum der Stadt führen würde: vorbei an all den prunkvoll-klassizistischen Palästen aus geschnittenem Bergkristall, vorbei am kürzlich erst eröffneten Zeitdom, einem architektonischen Monstrum aus Marmor, honigfarbenem Bernstein und Glas. Finn erschauerte, als vor seinem geistigen Auge das Bild des Kristallgottes auftauchte, dessen Statue hoch oben in der Kuppel des Doms frei in der Luft schwebte, die Arme, wie um alles und jeden in sich zu begreifen, zu beiden Seiten hin ausgestreckt.
Er erinnerte sich an den Tag, an dem er den majestätischen Bau das erste Mal besichtigt hatte, erinnerte sich daran, wie ihm der Atem gestockt hatte, während er hinauf in die bunte Explosion des prismenhaft erstrahlenden Lichts gestarrt hatte - voller erhabener Gefühle, voller Ehrfurcht, ein staunend aufgesperrter Mund unter vielen.
Die nörgelnde Hupe eines rostigen Pick-Ups warf ihn in die Wirklichkeit zurück. Er stieß einen Fluch aus, und seine Augen hinter den Gläsern der verspiegelten Sonnenbrille fokussierten sich wieder auf die Straße.

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Montag, 2. Oktober 2023
Mommsen - und der Fluch der 11.
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Mommsen verspürte nicht die geringste Lust, sich noch einmal in die Regionen des Geistes zu begeben, für die er auch heute noch keine andere Bezeichnung finden konnte, als den wahrlich zweifelhaften Begriff der „Hölle“.
Während er also derart nachdenklich von seinem Appartement im 64. Stock des NestorBuildings über die Silhouette der nächtlichen Stadt sah, hinab auf die Dächer der unter ihm liegenden Gebäude, in die laternenbeleuchteten Straßen, die wie tief ausgestanzte Gräben zwischen den Häusern verliefen, auf den - um diese Zeit - spärlicher gewordenen Betrieb dort unten …, zog sich sein Blick zurück, und er sah mit einem Mal nur noch das durchscheinende Abbild seines eigenen Gesichts, das ihn wie ein Gespenst aus der Sicherheitsglasscheibe vor ihm anstarrte. Ein fahles, furchtsames, vorzeitig gealtertes Antlitz, das just in diesem Augenblick die Lippen zu einem bizarr verzerrten Totenkopfgrinsen verzog.
War der Wahnsinn, so fragte er sich, zurückgekehrt, um seinen alten Bekannten Moses Mommsen in die Arme zu schließen, ihn nachhause zu holen - wie einen verlorenen Sohn?

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Sonntag, 17. September 2023
Raskolnikow.


Befragung eines moralischen Mörders.


14/09/23

I.

Ein Faszinosum, auf welch' geniale Weise Dostojewski das Motiv der Tat verdeckt. Oberflächlich gesehen wirkt es zunächst wie eine Tat aus Habgier, aber - diese oberflächliche Deutung kann nicht sein (was der Brief der Mutter belegt), vielmehr treibt etwas Unbekanntes, seltsam Unbestimmtes, etwas aus den Tiefen seiner Seele, Raskolnikow an.

II.

Wenn man Raskolnikow's Gedanken verfolgt, diesen permanenten, unsteten, widersprüchlichen Dialog, den er innerlich mit sich selbst führt, dann braucht es natürlich gar kein bewusstes Motiv für den Mord mehr, dann könntes auch schlicht die Unruhe des nackten Wahns sein, die ihn antreibt.
Wobei sich dann allerdings wiederum die Frage stellt, was genau ihn denn in diesen Wahn getrieben hat. Das Unglück? Der Tod der Frau, die er heiraten wollte? Selbsthass? Ob des eigenen Unvermögens? Ziel- und Antriebslosigkeit?
Das ist das große Rätsel, der geheimnisvolle Urgrund des Romans. Ist das Selbstbestrafung? Schuld und Sühne?


16/17/09/23

III.

Was im Falle Raskolnikow's im pathologischen Sinne psychologisch zu diagnostizieren wäre, ist eine massive Störung der Impulskontrolle, im Guten wie im Schlechten. Was letztlich dann zur Spaltung seines Wesens führt.
Raskolnikow leidet an der Tatsache, dass er sich selbst nicht versteht. Eine Qual, eine Folter, für einen an sich intelligenten und zur Selbstreflexion fähigen Menschen wie ihn. Und heißt das am Ende nicht, dass notwendig und immer, stets zwei Seiten in der Seele eines Menschen miteinander ringen - eine "gute", gesunde Seite, und eine "böse" - zerstörerisch, selbstzerstörerisch? Und letztlich: bedarf es nicht einer berwussten Entscheidung darüber, welcher Seite man folgen will? Einer Entscheidung, die - einmal getroffen - ein gewisses, andauerndes Maß an Kontrolle nötig macht, um sie dann auch zu verwirklichen und aufrechtzuerhalten?

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