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Sonntag, 22. Oktober 2023
Kristallwelt (Henry und June/Erzählung/SF).
laghbas, 12:17h
Alles schien vorbereitet für einen wundervollen Abend und, wie er hoffte, eine ebenso wunderbare Nacht. Er war frisch gebadet, Gel formte seine Haare, der Anzug, den er sich extra zu diesem Anlass gekauft hatte, stand ihm prächtig. Es war sein erstes, offizielles Date mit Eloise, und eigentlich - hätte nichts schiefgehen dürfen.
Als es so weit war, trat er aus der Tür, stieg in den Wagen und befand sich auf dem Weg. Im lauwarmen Schein des Sonntagnachmittags trieb er sein Fahrzeug federnd über die Straßen der Vorstadt, das Fenster heruntergekurbelt, den Arm weit hinausgelehnt. Aus den Boxen seines altmodischen Autoradios dröhnte laut eines seiner Lieblingslieder aus den Siebziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts.
Kurz hielt er an einem Blumenautomaten und zog ein paar blaue, künstliche Lilien aus einem der Fächer, dann trieb es ihn auf den Sternenboulevard hinaus, dessen Verlauf ihn, gerade wie eine sorgsam ausgelegte Schwarzpulverspur, durch das kristallene Zentrum der Stadt führen würde: vorbei an all den prunkvoll-klassizistischen Palästen aus geschnittenem Bergkristall, vorbei am kürzlich erst eröffneten Zeitdom, einem architektonischen Monstrum aus Marmor, honigfarbenem Bernstein und Glas. Finn erschauerte, als vor seinem geistigen Auge das Bild des Kristallgottes auftauchte, dessen Statue hoch oben in der Kuppel des Doms frei in der Luft schwebte, die Arme, wie um alles und jeden in sich zu begreifen, zu beiden Seiten hin ausgestreckt.
Er erinnerte sich an den Tag, an dem er den majestätischen Bau das erste Mal besichtigt hatte, erinnerte sich daran, wie ihm der Atem gestockt hatte, während er hinauf in die bunte Explosion des prismenhaft erstrahlenden Lichts gestarrt hatte - voller erhabener Gefühle, voller Ehrfurcht, ein staunend aufgesperrter Mund unter vielen.
Die nörgelnde Hupe eines rostigen Pick-Ups warf ihn in die Wirklichkeit zurück. Er stieß einen Fluch aus, und seine Augen hinter den Gläsern der verspiegelten Sonnenbrille fokussierten sich wieder auf die Straße.
(...)
Als es so weit war, trat er aus der Tür, stieg in den Wagen und befand sich auf dem Weg. Im lauwarmen Schein des Sonntagnachmittags trieb er sein Fahrzeug federnd über die Straßen der Vorstadt, das Fenster heruntergekurbelt, den Arm weit hinausgelehnt. Aus den Boxen seines altmodischen Autoradios dröhnte laut eines seiner Lieblingslieder aus den Siebziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts.
Kurz hielt er an einem Blumenautomaten und zog ein paar blaue, künstliche Lilien aus einem der Fächer, dann trieb es ihn auf den Sternenboulevard hinaus, dessen Verlauf ihn, gerade wie eine sorgsam ausgelegte Schwarzpulverspur, durch das kristallene Zentrum der Stadt führen würde: vorbei an all den prunkvoll-klassizistischen Palästen aus geschnittenem Bergkristall, vorbei am kürzlich erst eröffneten Zeitdom, einem architektonischen Monstrum aus Marmor, honigfarbenem Bernstein und Glas. Finn erschauerte, als vor seinem geistigen Auge das Bild des Kristallgottes auftauchte, dessen Statue hoch oben in der Kuppel des Doms frei in der Luft schwebte, die Arme, wie um alles und jeden in sich zu begreifen, zu beiden Seiten hin ausgestreckt.
Er erinnerte sich an den Tag, an dem er den majestätischen Bau das erste Mal besichtigt hatte, erinnerte sich daran, wie ihm der Atem gestockt hatte, während er hinauf in die bunte Explosion des prismenhaft erstrahlenden Lichts gestarrt hatte - voller erhabener Gefühle, voller Ehrfurcht, ein staunend aufgesperrter Mund unter vielen.
Die nörgelnde Hupe eines rostigen Pick-Ups warf ihn in die Wirklichkeit zurück. Er stieß einen Fluch aus, und seine Augen hinter den Gläsern der verspiegelten Sonnenbrille fokussierten sich wieder auf die Straße.
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Montag, 2. Oktober 2023
Mommsen - und der Fluch der 11.
laghbas, 13:13h
(...)
Mommsen verspürte nicht die geringste Lust, sich noch einmal in die Regionen des Geistes zu begeben, für die er auch heute noch keine andere Bezeichnung finden konnte, als den wahrlich zweifelhaften Begriff der „Hölle“.
Während er also derart nachdenklich von seinem Appartement im 64. Stock des NestorBuildings über die Silhouette der nächtlichen Stadt sah, hinab auf die Dächer der unter ihm liegenden Gebäude, in die laternenbeleuchteten Straßen, die wie tief ausgestanzte Gräben zwischen den Häusern verliefen, auf den - um diese Zeit - spärlicher gewordenen Betrieb dort unten …, zog sich sein Blick zurück, und er sah mit einem Mal nur noch das durchscheinende Abbild seines eigenen Gesichts, das ihn wie ein Gespenst aus der Sicherheitsglasscheibe vor ihm anstarrte. Ein fahles, furchtsames, vorzeitig gealtertes Antlitz, das just in diesem Augenblick die Lippen zu einem bizarr verzerrten Totenkopfgrinsen verzog.
War der Wahnsinn, so fragte er sich, zurückgekehrt, um seinen alten Bekannten Moses Mommsen in die Arme zu schließen, ihn nachhause zu holen - wie einen verlorenen Sohn?
(...)
Mommsen verspürte nicht die geringste Lust, sich noch einmal in die Regionen des Geistes zu begeben, für die er auch heute noch keine andere Bezeichnung finden konnte, als den wahrlich zweifelhaften Begriff der „Hölle“.
Während er also derart nachdenklich von seinem Appartement im 64. Stock des NestorBuildings über die Silhouette der nächtlichen Stadt sah, hinab auf die Dächer der unter ihm liegenden Gebäude, in die laternenbeleuchteten Straßen, die wie tief ausgestanzte Gräben zwischen den Häusern verliefen, auf den - um diese Zeit - spärlicher gewordenen Betrieb dort unten …, zog sich sein Blick zurück, und er sah mit einem Mal nur noch das durchscheinende Abbild seines eigenen Gesichts, das ihn wie ein Gespenst aus der Sicherheitsglasscheibe vor ihm anstarrte. Ein fahles, furchtsames, vorzeitig gealtertes Antlitz, das just in diesem Augenblick die Lippen zu einem bizarr verzerrten Totenkopfgrinsen verzog.
War der Wahnsinn, so fragte er sich, zurückgekehrt, um seinen alten Bekannten Moses Mommsen in die Arme zu schließen, ihn nachhause zu holen - wie einen verlorenen Sohn?
(...)
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Sonntag, 27. August 2023
Gelöst.
laghbas, 06:48h

(08/23)
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Samstag, 5. August 2023
Harford Manor (Erzählung/Klassische Phantastik).
laghbas, 22:01h
„….And my soul from out that shadow that lies floating on the floor
shall be lifted – nevermore!”
-
Edgar Allen Poe - The Raven
Nun, hier war ich also.
Ich stieg aus der Kutsche, die mich vom nahe gelegenen Dorf herauf nach Harford Manor gebracht hatte.
Kaum, dass ich mit den Füßen den Boden berührt und mein Gepäck abgeladen hatte, vernahm ich hinter mir das gellende Schnalzen eines Peitschenhiebs, begleitet von der herrisch-knappen Aufforderung einer alten versoffenen Stimme, welche die Pferde zum unverzüglichen Aufbruch trieb. Die Kutsche wendete im großen Kreis, flog unangemessen schnell über den hellen, staubigen Kiesbelag zurück in Richtung Haupttor des Anwesens, verschwand zwischen den dickstämmigen Bäumen des herbstlichen Parks, ließ mich alleine zurück.
Das passte zu den Reaktionen, die ich bereits bei meiner Ankunft im Dorf hatte erleben können: meinem Ansinnen, dem Herrn von Harford Manor meine Aufwartung machen zu wollen, waren misstrauische, ja ängstliche Blicke gefolgt, ja, gar hatte ich zu fürchten gehabt, den Rest des Weges, im Schweiße meines Angesichts mein Gepäck tragend, zu Fuß zurückzulegen, falls tatsächlich niemand in meine Beförderung einzuwilligen bereit gewesen wäre. Nach wie vor war ich verwundert über dieses Verhalten, schob es aber auf die Verschrobenheit der ländlich-provinziellen Bevölkerung, die ja, wie jeder weiß, oftmals den unverständlichsten Impulsen nachgibt - und sich nichts dabei denkt.
Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich um.
In meiner Rocktasche trug ich die Nachricht, die mein früherer Studienkamerad Allan Harford mir vor einigen Wochen hatte zukommen lassen und welche der alleinige Grund für mein Hiersein war. Ich war damals nicht in der Lage gewesen, unmittelbar auf das Schreiben zu reagieren. Unaufschiebbare Verpflichtungen in Zusammenhang mit meinem Lehrstuhl in Olford, wo selbst ich das Professorenamt der „Strengen Komparistik“ betrieb, zwangen mich seinerzeit, die offensichtlich dringend notwendige Reise noch um ein paar lange Wochen zu verschieben. Und doch waren meine Gedanken, bereits geraume Zeit vor dem zuletzt doch erfolgten Aufbruch, auf seltsame und, wie ich Ihnen versichern kann, für mich ganz und gar untypische Art und Weise mit Allan Harford und dem Inhalt seines ominösen Schreibens beschäftigt geblieben. Es war mir sogar schwer gefallen, mich auf die Jahresabschlussprüfungen zu konzentrieren, die noch an meinem Institut abgehalten werden mussten.
Der Brief.
Ich tastete nach dem gefalteten Stück Pergament, und erschrak, als ich es nicht sofort fand. Dann aber stellte ich fest, dass ich es bereits in der Hand hielt.
Ich musste es unbewusst aus meiner Rocktasche gezogen haben.
(...)
shall be lifted – nevermore!”
-
Edgar Allen Poe - The Raven
Nun, hier war ich also.
Ich stieg aus der Kutsche, die mich vom nahe gelegenen Dorf herauf nach Harford Manor gebracht hatte.
Kaum, dass ich mit den Füßen den Boden berührt und mein Gepäck abgeladen hatte, vernahm ich hinter mir das gellende Schnalzen eines Peitschenhiebs, begleitet von der herrisch-knappen Aufforderung einer alten versoffenen Stimme, welche die Pferde zum unverzüglichen Aufbruch trieb. Die Kutsche wendete im großen Kreis, flog unangemessen schnell über den hellen, staubigen Kiesbelag zurück in Richtung Haupttor des Anwesens, verschwand zwischen den dickstämmigen Bäumen des herbstlichen Parks, ließ mich alleine zurück.
Das passte zu den Reaktionen, die ich bereits bei meiner Ankunft im Dorf hatte erleben können: meinem Ansinnen, dem Herrn von Harford Manor meine Aufwartung machen zu wollen, waren misstrauische, ja ängstliche Blicke gefolgt, ja, gar hatte ich zu fürchten gehabt, den Rest des Weges, im Schweiße meines Angesichts mein Gepäck tragend, zu Fuß zurückzulegen, falls tatsächlich niemand in meine Beförderung einzuwilligen bereit gewesen wäre. Nach wie vor war ich verwundert über dieses Verhalten, schob es aber auf die Verschrobenheit der ländlich-provinziellen Bevölkerung, die ja, wie jeder weiß, oftmals den unverständlichsten Impulsen nachgibt - und sich nichts dabei denkt.
Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich um.
In meiner Rocktasche trug ich die Nachricht, die mein früherer Studienkamerad Allan Harford mir vor einigen Wochen hatte zukommen lassen und welche der alleinige Grund für mein Hiersein war. Ich war damals nicht in der Lage gewesen, unmittelbar auf das Schreiben zu reagieren. Unaufschiebbare Verpflichtungen in Zusammenhang mit meinem Lehrstuhl in Olford, wo selbst ich das Professorenamt der „Strengen Komparistik“ betrieb, zwangen mich seinerzeit, die offensichtlich dringend notwendige Reise noch um ein paar lange Wochen zu verschieben. Und doch waren meine Gedanken, bereits geraume Zeit vor dem zuletzt doch erfolgten Aufbruch, auf seltsame und, wie ich Ihnen versichern kann, für mich ganz und gar untypische Art und Weise mit Allan Harford und dem Inhalt seines ominösen Schreibens beschäftigt geblieben. Es war mir sogar schwer gefallen, mich auf die Jahresabschlussprüfungen zu konzentrieren, die noch an meinem Institut abgehalten werden mussten.
Der Brief.
Ich tastete nach dem gefalteten Stück Pergament, und erschrak, als ich es nicht sofort fand. Dann aber stellte ich fest, dass ich es bereits in der Hand hielt.
Ich musste es unbewusst aus meiner Rocktasche gezogen haben.
(...)
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