Freitag, 22. Juli 2022
Braudel.
Fernand Braudel, französischer Historiker, und Protagonist der großen Wende der klassischen Geschichtswissenschaft, weg von der Priorisierung punktueller Ereignisse und/oder herausragender Persönlichkeiten (bis Anfang und sogar Mitte des 20. Jahrhunderts beherrschend), hin zur Betrachtung der Geschichte als einer extrem komplexen Verflechtung unzähliger Faktoren und Zusammenhänge. Vertikal (die Betrachtung langfristiger Entwicklungen entlang der Zeitachse) und horizontal (die Komplexität der Breitwandperspektive zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum).
Zugleich ein großer Vertreter interdisziplinärer Ansätze.

SCHRIFTEN ZUR GESCHICHTE, zwei Bände, Klett Cotta Hardcover, Erstausgabe, 1992.

Brillant!

Als verhinderter Historiker strebe ich schon lange mal eine übergeordnete Auseinandersetzung mit den Methoden, Problemen und wesentlichen Grundsatzdiskussion und -sichtweisen der Geschichtswissenschaft als Wissenschaftsdisziplin an.

Da ist Braudel natürlich so ziemlich die beste Wahl, die man treffen kann.

Der von ihm beschriebene Moment, in dem er als junger Mann das fatale Wesen der alten Geschichtsschreibung erfasst hat: in einer Nacht am Lagerfeuer im Wald, in der er sich irgendwann zwischen Schwärmen von Glühwürmchen wiederfand, alle aufleuchtend, verlöschend, aufleuchtend, ohne dabei aber die Umgebung zu erhellen. Das Festmachen der Geschichtsschreibung an herausstechenden Ereignissen und/oder Personen - gleicht den glühenden, kurz aufleuchtenden Lichtern, welche die Glühwürmer produzieren, Lichter, die das riesige Schwarz der Nacht um sich herum im Dunkeln lassen.

Ob es sich bei diesen Glühwürmchen eventuell auch um GlühWEINchen gehandelt haben, oder ob womöglich sogar andere Drogen irgendwelcher Art konsumiert worden sein könnten, ist nicht überliefert, und er selbst hat im Verlauf der Antrittsvorlesung zu seiner Professur nichts Dergleichen erwähnt.
Heißt: ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass die Glühwürmchen wirklich da waren, damals im Wald.

:-)

Mir ist das übrigens genau so auch passiert. Allerdings war meine Wenigkeit viel zu geflasht, um überhaupt was zu denken. Ich war da eher der Staunende mit dem offenen Mund.

Aber - zurück zu Braudel.

La Longue Durée, die lange Dauer, das war sein Schlachtruf, dem er sein Leben lang gefolgt ist und in dessen Namen er gearbeitet hat.
Und diese LANGE DAUER bezieht sich durchaus auf vielerlei Dinge. Zum Beispiel auch auf die Arbeit, die man als Historiker in seine Erzählung hineinsteckt. Braudel war tatsächlich so reflektiert, dass er zugeben konnte, dass sein Ansatz - horizontal - immense, quasi weltumspannende Forschungen zu einem Thema erfordert, und zusätzlich natürlich auch die zeitlichen Entwicklungen - vertikal - VOR UND NACH dem Zeitpunkt oder Zeitraum, den man darstellen will, beachtet werden muss.
Monströs viel Arbeit!
Was ihn dann aber auch nicht davon abhielt, die Methodik trotzdem exakt so einzufordern, wenn man denn seriös und anständig arbeiten will.

:-)

Folge: es gab erst einmal einen Riesenkrach unter den Geschichtswissenschaftlern, erst in Frankreich, dann überall.
Kein Wunder, denn Braudel war wirklich frech und unverschämt (bis hin zur Arroganz, vermute ich jetzt mal). Aber er hatte ja Recht.
Dieser Streit ruht. Aber er ist nicht geklärt. Natürlich ist die aufwendigere Methode die wissenschaftlichere, aber das heißt ja nicht, dass jede begrenztere Arbeit unbedingt schlecht sein muss. Natürlich kann man sich begrenzen.
Inzwischen wird beides anerkannt, denke ich, und es gibt hervorragende Beispiele für beide Methoden.

(In gewissem Maße) begrenzt:

Bart Van Loo - BURGUND/Das verschwundene Reich, 2019.

(Geradezu mustergültiger) Versuch nach Braudel und der neueren Schule:

Jürgen Osterhammel - DIE VERWANDLUNG DER WELT/Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, 2009.

Irgendwie erinnert mich der Streit an die wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzungen zu Induktion und Deduktion.
Mit denselben Problemen und Nachteilen beider Positionen.

Induktion (Braudel) führt nie zu einem natürlichen Ende, zumindest nicht in einer dermaßen komplexen Gemengelage wie im Falle der Geschichtsforschung. Es könnte ja immer noch einen weiteren Einfluss geben, an den man nicht gedacht hat.
Man MUSS also irgendwo, an irgendeiner Stelle abbrechen und die Sache für beendet ERKLÄREN.

Deduktion (klassisch) ist von vorneherein begrenzt, weil sie mit einem vorgefertigten, theoretischen Konstrukt an die - an sich - chaotische Masse der Daten herangeht und sie deduktiv formt.

Eine Perspektive, die - meiner Meinung nach - vielleicht tatsächlich ein bisschen aus dem explizit historischen Feld herausgerutscht ist, das ist die einzig auf einzelne Personen fixierte Perspektive.
Der Graubereich zur Biographie.
Eine gute Biographie liefert zwar immer auch ein zeitgeschichtliches Bild, allerdings stellt sich dieses Bild dann meist doch eher wissenschaftlich vernachlässigt dar.

Wie dem auch sei, die ganze Thematik birgt offensichtlich ein Grundproblem der historischen Wissenschaften.

Ich würde es ein PROBLEM DES ERFASSUNGSRAUMES nennen.

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Samstag, 16. Juli 2022
Die Fremdler-Archive
Buch II: Die Geschichte der Teloor: Die teloorische Zeit- bzw., seltener, KonstruktParallaxe (TZP/TKP).

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Freitag, 15. Juli 2022
Römische Satiren.
Die römische Geistesgeschichte, Literatur und Philosophie, grundsätzlich zu missachten oder sie gar rundum für NICHT-EXISTENT zu erklären (wie in meinem Fall) stellt natürlich einen groben Schnitzer dar.
Selbstverständlich hat das alte Rom desgleichen zu bieten. Rom hatte es nicht leicht damit, dem Griechischen zu entkommen und sich von ihm abzusetzen. Bestrebungen und Entwicklungen hat es aber - in der Art und Herangehensweise des Denkens - durchaus gegeben. Sie dürften pragmatischer, technologischer Natur gewesen sein, würde man vermuten wollen.

"Wenn du etwas geben willst, gib gleich!"

Römische Satiren.

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Dienstag, 12. Juli 2022
Unberührt:Transmission.
...Ich bin das Auge, das sieht...

...Ich bin das Auge im Raum, eine Manifestation des Geistes...

...Hier ist niemand mehr, der das Experiment überwacht. Alle sind tot. Vor Jahrmillionen schon vergangen, weitergegangen, aufgestiegen...

...Doch das Experiment besteht. Die Anordnung ist intakt und nach wie vor gehen Informationen ein, und werden verarbeitet. Doch niemand mehr existiert, der sie bewertet...

...Ich bin das Auge (im Raum). Ich schwebe über der Anordnung...

...Das Labor ist verlassen. Staub liegt wie ein dicker Teppich über den Apparaturen, den Tischen mit Geräten und Gläsern. Alle Anzeigen leuchten noch. Zahlenkolonnen tanzen ihren ewigen, rasenden Reigen. Aber es ist still, so still, nur selten einmal ertönt ein Summen, ein Klicken. Ich bin das Auge, das sieht...das Ohr, das hört...eine Manifestation des Geistes...

...Ihr, die ihr dort drinnen existiert, Bakterien, Mikroben, Viren, Menschen, könnt ihr mich hören? Vernehmt ihr die Worte des Geistes, der von außen spricht? Ich versuche euch zu erreichen. Hört ihr mich? Hört ihr, was ich sage? ...

...Ich bin das Auge, das sieht...der Mund, der spricht...eine Manifestation des Geistes...
Jene, die vergangen sind...sie waren euch nicht unähnlich, und doch waren sie anders...weniger begrenzt...weniger Fleisch...mehr Geist...mehr Geist...mehr Gedanke...Energie...

...Sie begannen das Experiment...

...Ich bin das Auge, das sieht...ich bin der Mund, der spricht...könnt ihr mich hören?...

...Sie sind gegangen, vergangen, weitergegangen...sie verließen diese Ebene der Existenz...alle begaben sich auf die Reise...veränderten ihre Form...

...Doch das Experiment besteht weiter...sie ließen die Anordnung zurück...ließen das Experiment zurück...es hatte keine Bedeutung mehr für sie...

Ich bin das Auge, das sieht...ich bin das Ohr, das hört...ich bin der Mund, der spricht...eine Manifestation des Geistes...ich entstand aus der Notwendigkeit...denn alles, was ist, muss gesehen werden...alles, was klingt, muss gehört werden...aus dieser Notwendigkeit bin ich geboren...aus Licht...aus Klang...so erschafft sich der Reiz den Empfänger...den Rezeptor...wie die Tat, die Reaktion...der Glaube, den Gott...

...Ich bin das Auge im Raum...

...Euer Zweck...der Sinn eures Daseins, eurer Existenz...ist es, Informationen zu sammeln...Informationen über die Materie...die stofflich-materielle Welt, die euch umgibt...

...Ich bin das Auge...

...Ich bin das Ohr...

...Eine Manifestation des Geistes...

...Hört ihr mich?...

...Nichts sonst...Nichts sonst...

...Euer Tod beendet euren Zweck...dann werden die Informationen eures Lebens übertragen...

...Das Experiment besteht...

***

Aufzeichnung der "Gesellschaft für paranormale Übertragung e.V."(GPÜ) vom 23.September 2314, aufgezeichnet von Richard Bodenheimer, Hamburg (Bundesrepublik Deutschland), Medium der Übermittlung: Hintergrundrauschen des Fernsehempfangs, Bodenheimer empfing die Übermittlung in Form einer achtzehnstündigen Endlosschleife, die Aufzeichnung der Übermittlung hat eine Gesamtdauer von ca. siebzehn Stunden, etwa zur gleichen Zeit wurde eine gleichlautende Übermittlung in Kiew, Ukraine aufgezeichnet, Aufzeichnender: Alexeij Ribanov, Medium der Übermittlung: ebenfalls Hintergrundrauschen des Fernsehempfangs, Dauer der Aufzeichnung: ca. eine halbe Stunde.

***

Uncut-Version.

So 2008/2009, schätze ich (mal nachforschen). Schwer einzuordnen, kein Fremdlertext, und irgendwie auch kein Psyche-&-Phantastik-Text.

Es existiert zwar ein BUCH OG, das nur solche, ich sage mal, Urquelltexte versammelt, aber ich glaube nicht, dass da genug zusammenkommt (es sind drei bisher, und ich vermute, ich käme wohl höchstens auf fünf, zumindest aus dem erzählerischen Bereich).

Also vielleicht doch in Psyche & Phantastik I, vielleicht unter der Rubrik UNBERÜHRT.

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Im Grunde
- ist doch die jetzige Krisensituation (samt des Krieges) nur die logische Folge einer nahezu unglaublichen Verwahrlosung der Politik seit etwa 20 Jahren, einer Politik, die sich der entfesselten, kapitalistischen Geldgier unterworfen hat. Ein europäisches Währungsprojekt, das nicht funktioniert. Banken, die in den Händen von Spekulanten sind. Ein Wirtschaftssystem, das vor über zehn Jahren bereits zusammengebrochen ist, aber
mit allen Mitteln am Laufen gehalten werden musste. Geldbeträge und Schulden, die nur noch Zahlenspiele ohne realen Hintergrund sind.
Wenn schneller Profit das einzige Ziel ist, und wenn dabei alle Mittel recht sind, dann sind - logisch und zwangsläufig - Kriminelle und ihre Handlanger irgendwann in der Führungsrolle.
Nichts garantiert mehr Profit, als die empathie- und gewissenlose Einstellung des geborenen Verbrechers.

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